Rentenanpassung: Das Gefälle zwischen Ost und West bleibt
Mit der für diese Legislaturperiode geplanten Angleichung der Rentenberechnung in Ost- und Westdeutschland lässt sich die Bundesregierung Zeit.
Berlin - Mit der für diese Legislaturperiode geplanten Angleichung der Rentenberechnung in Ost- und Westdeutschland lässt sich die Bundesregierung Zeit. Eine gerechte Lösung erfordere „Sorgfalt und Sensibilität“ und sei „kurzfristig auch nicht zu erwarten“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion, die dem Tagesspiegel vorliegt. Auch wenn in den neuen Ländern die knapp zwei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung bestehenden Unterschiede vielfach als unverständlich empfunden würden, so sei die Aufgabe, die Schwarz-Gelb sich im Koalitionsvertrag gestellt habe, doch „sehr komplex“.
Auf Unverständnis stößt bei vielen, dass der Rentenwert Ost nach wie vor unter dem des Westens liegt, aktuell bei 88,7 Prozent. Kritiker monieren, dass damit gleiche Lebensleistungen unterschiedlich bewertet würden. Um die Differenzen, die sich aus dem Lohngefälle zwischen Ost und West ergeben, ein Stück weit auszugleichen, werden momentan die Arbeitsverdienste in den neuen Ländern höher bewertet. Damit soll dafür gesorgt werden, dass ein Durchschnittsverdiener Ost den gleichen Rentenanspruch erhält wie ein Durchschnittsverdiener West. Wenn nun künftig die Rentenwerte angeglichen und gleichzeitig die Hochbewertung der Löhne im Osten gestrichen würde, könnte dies für zahlreiche Ostrentner dazu führen, dass ihre Ansprüche geringer ausfallen als bislang.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung lässt offen, ob sie – wie im Koalitionsvertrag angekündigt – auf ein einheitliches Rentensystem in Ost und West setzt oder doch eher darauf, dass sich die Löhne in den nächsten Jahren weiter angleichen. Noch sind die Differenzen in vielen Branchen allerdings erheblich: So lagen nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer im Jahr 2009 in den alten Ländern um ein Fünftel über dem Ostniveau: Während Westdeutschland mit 103 Prozent über dem gesamtdeutschen Schnitt landete, kam der Osten lediglich auf einen Wert von 82 Prozent. In absoluten Zahlen lag der Lohnabstand bei gut 5800 Euro im Jahr (Bruttojahresgehalt West: 28 500 Euro, Ost: 22 700).
Selbst zwischen dem ärmsten westdeutschen und dem reichsten ostdeutschen Bundesland gibt es Unterschiede: So verdiente der durchschnittliche Arbeitnehmer in Schleswig-Holstein 25 300 Euro im Jahr, während es in Sachsen rund 22 800 Euro waren – und damit etwa 2500 Euro weniger. Die Differenzen innerhalb des Westens sind allerdings auch ausgeprägt: So lag Hamburg, das Bundesland mit dem höchsten Wert, mit durchschnittlich 32 900 um rund 7600 Euro über Schleswig-Holstein.
Um bis 2015 eine Angleichung der Löhne zu erreichen, sei im Osten eine um vier Prozentpunkte höhere jährliche Steigerung als im Westen erforderlich, rechnet das Arbeitsministerium in seiner Antwort auf die Anfrage vor. Selbst wenn man sich mehr Zeit lässt, bis zum Jahr 2030, müsste das Plus im Osten um gut einen Prozentpunkt höher ausfallen als im Westen. Ein realistisches Szenario? Es könne heute nicht verlässlich bestimmt werden, in welchem zeitlichen Rahmen sich die Einkommensverhältnisse in den neuen Ländern an die der alten Länder anglichen, heißt es vage in der Antwort der Bundesregierung. Dieses hänge im Wesentlichen von der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung ab.
Klar ist aber auch: Nach einem anfänglich schnellen Aufholprozess bei den Löhnen im Osten hat sich dieser seit Mitte der 90er Jahre deutlich verlangsamt. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Matthias Birkwald fordert daher die Bundesregierung auf, die Verbesserung der Einkommen im Osten zu befördern: „Wir brauchen einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, der vor allem den riesigen Niedriglohnsektor im Osten eindämmt“, verlangt der Rentenexperte.