30 Jahre Mauerfall: Das Gedenken bedarf keiner Plattitüden
Das vereinte Deutschland plant das 30. Jubiläum des Mauerfalls. Das geht offenbar nicht ohne Peinlichkeiten. Ein Kommentar.
Dreißig ist ein seltsames Alter. Geht der Blick nach vorn oder schon zurück? Hat das Erwachsensein über die Unbeschwertheit triumphiert? Die Erzählung „Das dreißigste Jahr“ von Ingeborg Bachmann beginnt so: „Wenn einer in sein dreißigstes Jahr geht, wird man nicht aufhören, ihn jung zu nennen. Er selber aber, obgleich er keine Veränderungen an sich entdecken kann, wird unsicher; ihm ist, als stünde es ihm nicht mehr zu, sich für jung auszugeben.
Und eines Morgens wacht er auf, an einem Tag, den er vergessen wird, und liegt plötzlich da, ohne sich erheben zu können, getroffen von harten Lichtstrahlen und entblößt jeder Waffe und jeden Muts für den neuen Tag.“ Getroffen und entblößt – das passt auf dieses Deutschland, darüber ließe sich zumindest nachdenken.
Statt dessen melden sich zum 30. Jahrestag des Mauerfalls Krethi und Plethi mit Plattitüden zu Wort. Das Erreichte müsse gewürdigt und das Kritische benannt werden, meint der Ostbeauftragte, Christian Hirte. „Wir wollen große Teile der Bevölkerung einbinden und mitnehmen und so die innere Einheit voranbringen.“ Na dann.
Eine von der Bundesregierung eigens für die Feierlichkeiten eingesetzte 22-köpfige Kommission unter Vorsitz des früheren brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck soll bis August "Vorschläge und Handlungsempfehlungen" erarbeiten. Dafür gibt's einen Bürgerdialog. Hauptstadt des Gedenkens könnte diesmal Cottbus sein. Allerdings wird bereits vor einem "ostdeutschen Disneyland" gewarnt. „Wir wollen einen ehrlichen und ungeschönten Austausch über die vergangenen 30 Jahre", sagt Platzeck. Andere fordern gleichwertige Lebensverhältnisse, ein Zentrum der ostdeutschen Geschichte, die Aufarbeitung der Treuhand, und der Bund zahlt 61 Millionen Euro für die Sause.
Bestimmt liegen auch die „Scorpions“ schon wieder auf der Lauer, und am Abend werden Kerzen entzündet, erleuchtete Luftballons in den Himmel über Berlin entschweben. Hoffentlich ist die Party, die ja noch längst nicht begonnen hat, bald vorbei.