Politik: Das Ende einer Partnerschaft
CDU-Chefin Angela Merkel konnte Europas Konservative nicht von ihrer Türkeipolitik überzeugen
Angela Merkel hat sich in dieser Woche um einen guten Draht nach Straßburg und Brüssel bemüht. Nach Straßburg, weil dort zunächst das Europaparlament tagte und über die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu entscheiden hatte. Nach Brüssel, weil in der EU-Hauptstadt seit Donnerstagabend die Staats- und Regierungschefs der EU tagen und einen historischen Beschluss über die Aufnahme der Türkeigespräche fassen sollen.
Also klingelte am Dienstag beim CDUEuropaabgeordneten Elmar Brok in Straßburg das Handy, und es meldete sich die CDU-Chefin. Es ist zu vermuten, dass unter anderem zwei Worte bei dem Gespräch eine Rolle spielten: „privilegierte Partnerschaft“. Das Begriffspaar bildet sozusagen die Überschrift für das Konzept, das CDU und CSU bei den künftigen Beziehungen zwischen der EU und Ankara verfolgen: keine EU-Vollmitgliedschaft, dafür aber eben eine privilegierte Partnerschaft für die Türkei. Am Mittwoch stellte sich aber heraus, dass die beiden Worte nicht in das Schlussdokument des Brüsseler EU-Gipfels hineingeschrieben werden.
Am Mittwoch stimmten nämlich, allen Bemühungen Merkels zum Trotz, die Europaabgeordneten mit großer Mehrheit für das Ziel der türkischen EU-Vollmitgliedschaft. Angela Merkel, die auch am Donnerstagvormittag im Bundestag für ihr Konzept warb, hätte sich wohl ein anderes Abstimmungsergebnis gewünscht. Der CDU-Europaabgeordnete Brok hatte noch versucht, eine Brücke zu den sozialistischen und liberalen Abgeordneten im Europaparlament zu bauen, und in einem Kompromissvorschlag ergebnisoffene Gespräche mit der Türkei verlangt. Von einer „privilegierten Partnerschaft“ mit Ankara war in dem Vorschlag schon keine Rede mehr; trotzdem wurde er in der Abstimmung abgeschmettert.
Am Donnerstagnachmittag hatte Merkel dann ein Einsehen. Von Berlin jettete die CDU-Chefin nach Brüssel, wo die konservativen Regierungs- und Parteichefs der EU sich unmittelbar vor dem Gipfel auf eine gemeinsame Linie in der Türkeifrage einigen wollten. Nach ihrer Ankunft im Schloss Bouchout im Botanischen Garten von Meise vor den Toren der EU-Hauptstadt rückte Merkel von ihrer „privilegierten Partnerschaft“ ab: „Die Meinungen gehen zu weit auseinander“, gab die CDU-Chefin bekannt.
Dachte sie dabei vielleicht an Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi, der zwar wie sie zur konservativen Parteienfamilie in Europa gehört, aber einer der glühendsten Verfechter der türkischen Vollmitgliedschaft ist – ebenso wie der Vorsitzende der spanischen Volkspartei (Partido Popular), Mariano Rajoy, und der griechische Regierungschef Kostas Karamanlis? Dass Berlusconi und der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan ein enges Verhältnis pflegen, zeigt sich schon daran, dass die beiden während des EU-Gipfels in demselben Hotel übernachten. Am Donnerstagvormittag trafen sich Berlusconi und Erdogan zu einem vertraulichen Gespräch.
Oder dachte Merkel an den bürgerlichen französischen Regierungschef JeanPierre Raffarin, der zu dem Koordinierungstreffen von Europas Konservativen bei Brüssel gar nicht erst erschienen war? Zwar sehen die Franzosen die sich abzeichnenden Beitrittsgespräche mit der Türkei noch skeptischer als die Deutschen. Aber entgegen allen Bedenken in der Bevölkerung sagte Präsident Jacques Chirac am Mittwochabend im französischen Fernsehsender TF1, eine „privilegierte Partnerschaft“ komme nicht in Frage.
Nun sind die beiden Worte, die Angela Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber so gerne in der Brüsseler Türkei-Erklärung gesehen hätten, vom Tisch. So blieb es am Donnerstagabend den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union überlassen, nach einer Formulierung zu suchen, die der Türkei die Perspektive der Vollmitgliedschaft gibt, aber auch die zahlreichen Bedenken aufnimmt. Oder wie es der österreichische Regierungschef Wolfgang Schüssel in Brüssel formulierte: „Verhandlungen eröffnen wollen alle. Es geht darum, die Reformfähigkeit der Türkei und den Zusammenhalt in der EU in Einklang zu bringen.“ Damit räumte der Österreicher, der bei dem Gipfel den konservativen Standpunkt vortragen sollte, ebenfalls ein, dass die Meinungsunterschiede groß sind.
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