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Joseph Blatter, Fifa-Präsident.
© AFP

Joseph Blatter und die Fifa: Das Ende einer Diktatur

Es geht nicht mehr nur um Blatter, nein, es geht um mehr. Wer sagt denn, dass der Fußball die Fifa auf ewig braucht? Ein Konkurrenzverband könnte es auch schaffen; dann gibt es eben eine andere, eine zweite Fußballweltmeisterschaft. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Es geht doch, so oder so, schon nicht mehr um Joseph „Sepp“ Blatter. Der Mann ist Geschichte, oder vielmehr wird die Geschichte über ihn hinwegrollen. Ob jetzt oder später, alle Diktaturen, die einmal ins Straucheln geraten, fallen. Wie sagte Luis Figo, anfangs Gegenkandidat von Blatter für den Fifa-Spitzenposten: Er werde weiter zur Verfügung stehen, sobald nachgewiesen ist, dass die Fifa keine Diktatur ist. Und die Fifa macht sich an diesen Nachweis – oder sie macht sich selbst den Garaus.

Denn es ist doch so: Skandal und Korruption und noch viel mehr hat man der Fifa schon lange hinterhergerufen. Aber irgendwie hatte man sich daran gewöhnt, das als eine Art Folklore abzutun. Dann kam die große Aufregung um die Vergabe der nächsten Fußballweltmeisterschaften nach Katar und Russland. Und nun, gewissermaßen on top, der Fall Blatter. Das zusammengenommen mit der so auch noch nicht gekannten Verhaftungsaktion hat jetzt dem Skandal eine neue Dimension gegeben. Es ist der Stoff, aus dem Revolutionen geboren werden.

Das Zynische am System Blatter ist, dass es lange funktioniert hat, weil es ihm nicht um dicke Uhren, tolle Autos und persönliche Bereicherung ging – sondern um Macht. Die hat Blatter sich erkauft, indem er die Milliarden, die die Fifa an den Weltmeisterschaften und ihrem Rummel darum verdient, weitergegeben hat. Mit segnender Hand. Blatter, der Potentat, der Pate, als Wohltäter. Das hat lange funktioniert, weil das Geschäftsmodell Fifa einzigartig und die Marke weltweit attraktiv ist. Deswegen kamen ja auch die potenten Sponsoren. Wenn aber das Image in Gefahr ist, wenn das Investment der Geldgeber verloren gehen kann, dann verliert auch das System. Und sein Erfinder gleich mit.

Die moralische Dimension wiegt aber doch noch schwerer

Das ist kalte Marktlogik. Die moralische Dimension wiegt aber doch noch schwerer: Hunderten Millionen Jugendlichen wird Tag für Tag erklärt, wie wichtig Fair Play sei. Übrigens auch von der Politik, der hohen, international. Wie gerade vom britischen Premier David Cameron aus dem Mutterland des Fußballs und des Fair Play gehört. Damit Fair Play allerdings für die Basis glaubhaft bleiben kann, damit der Sport nicht nur Kommerz ist, damit das Spiel, das Ruhm und Ehre verspricht, nicht seine Grundlage verliert, die Spieler und die Fans, dürfen die an der Spitze eben doch nicht alles. Blatter muss weg, sagte Cameron früh. Ja, richtig, sonst entwertet die Fifa nicht nur die Moral des Sports, sondern auch ihr Geschäftsmodell.

Es geht nicht mehr nur um Blatter, nein, es geht um mehr. Wer sagt denn, dass der Fußball die Fifa auf ewig braucht? Ein Konkurrenzverband könnte es auch schaffen; dann gibt es eben eine andere, eine zweite Fußballweltmeisterschaft. In der, das nur nebenbei, aufgeklärte europäische Fußballverbände Einfluss geltend machen könnten. Illusorisch? Ach was. Welches Spiel wird weltweit am meisten gesehen? Das Endspiel der Champions League. Und welche Liga ist die dominierende? Die englische Premier League.

Nur wer klaglos akzeptiert, dass wir uns im Zeitalter des Ökonomismus befinden, der wird in Joseph Blatter einen Hoffnungsträger sehen. Wer aber daran glaubt, dass der Fußball Besseres verdient hat als Korruption und Bereicherung und ein postkoloniales Machtsicherungssystem, der wird einem Großtyrannen das Gericht bereiten.

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