Opfer rechter Gewalt: Das BKA überprüft die Zahlen und korrigiert sie nach oben
Die Zahl der Todesopfer rechter Gewalt in Deutschland ist nach einer Überprüfung höher als bisher angegeben. Das BKA hat bei seiner Zählung auch Fälle einbezogen, die vom Tagesspiegel recherchiert worden waren.
Berlin - Im Zuge der Überprüfung früherer Todesfälle auf einen rechtsextremen Tathintergrund hat das Bundeskriminalamt (BKA) in Zusammenarbeit mit den Landeskriminalämtern (LKA) die Zahl nach oben korrigiert. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums an die Bundestagsfraktion der Grünen hervor. Demnach sind nach der nochmaligen Durchsicht von 745 geprüften Fällen, darunter auch die vom Tagesspiegel recherchierten 153 Todesfälle, seit 1990 insgesamt 75 Menschen bei 69 Mordanschlägen durch rechtsextreme Täter getötet worden. Damit wächst die Zahl der offiziell anerkannten Todesopfer rechtsextremer Gewalt um 15 Fälle. Bei insgesamt 170 Mordversuchen gab es 142 Verletzte. Neu ist, dass es seit 2009 zu 29 Tötungsversuchen kam. Bund und Länder hatten sich nach Bekanntwerden der Mordserie des Neonazi-Terrortrios NSU darauf geeinigt, strittige Fälle zu überprüfen. Allerdings gingen die Länder dabei ganz unterschiedliche Wege.
Insgesamt gab es 17 Nachmeldungen. Allein neun Fälle hatte Brandenburgs Innenministerium kürzlich als rechtsmotivierte Tötungsdelikte anerkannt. Als einziges Bundesland hatte es externe Wissenschaftler vom Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum mit der Überprüfung beauftragt und ließ sich auch von zivilgesellschaftlichen Gruppen und Opferverbänden beraten. Sechs Fälle meldeten Sachsen und Sachsen-Anhalt nach. Aus Mecklenburg-Vorpommern und Hessen sind zwei rechtsextrem motivierte Tötungsfälle nachträglich erfasst worden. Diese hatten sich aber 2012 und 2014 ereignet, also deutlich nachdem die Mordserie des NSU aufgedeckt worden war und die Sicherheitsbehörden ihren Umgang mit rechter Gewalt korrigiert haben.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Monika Lazar kritisierte das Vorgehen des BKA und der meisten Länder. Im Gegensatz zu Brandenburg hätten diese die Altfälle nur auf einen rechtsextremistischen oder rechtsterroristischen Hintergrund abgeklopft, was nach der Reform der „Erfassung politisch motivierter Kriminalität“ 2001 viel zu eng gefasst sei. Und es wurde zumeist nicht wie in Brandenburg überprüft, ob die Täter aus rassistischer oder rechtsradikaler Gesinnung getötet haben könnten. Judith Porath vom Potsdamer Verein Opferperspektive, die bei der Überprüfung der Brandenburger Fälle beratend beteiligt war, sagte: „Das Ergebnis der BKA-Prüfungen irritiert mich, weil ich gehofft habe, dass der Staat nach dem NSU-Schock mit der rechten Gewalt anders umgehen würde.“
Immerhin, so wird im Bundesinnenministerium eingeräumt, könnte die Potsdamer Studie noch Bewegung in die eigentliche abgeschlossene Überprüfung bringen. Bei der nächsten Innenministerkonferenz soll die Brandenburger Studie vorgestellt werden.Alexander Fröhlich