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Auf Kompromisssuche. EU-Währungskommissar Pierre Moscovici (links) und Frankreichs Finanzminister Michel Sapin.
© AFP

Frankreich: Das bisschen Haushalt

Alle reden von Griechenland. Aber auch Frankreich liegt wegen seines Haushalts im Clinch mit der EU-Kommission. Allerdings ist die Ausgangslage anders: Während Griechenland wegen der drohenden Pleite einer strikten Kontrolle unterworfen ist, gibt es Spielraum für das liquide Frankreich.

Es gibt Haushaltspolitiker in Berlin, die sehen Frankreich als wahres Sorgenkind der Euro-Zone. Sie befürchten, dass nicht etwa das kleine Griechenland zum Brandherd für die Gemeinschaftswährung werden könnte, sondern die zweitgrößte Volkswirtschaft im Euro-Land: Frankreich. Die Skeptiker, denen die hohen Raten bei der Neuverschuldung im Nachbarland schon seit Langem ein Dorn im Auge sind, sollten zu Beginn des kommenden Monats aufmerksam nach Brüssel schauen. Dann wird die EU-Kommission ihre Bewertung der Defizit- und Haushaltssünder Frankreich, Italien und Belgien abgeben. Besonders Frankreich steht dabei im Blickfeld, weil das Land auch im laufenden Jahr das Maastricht-Kriterium wieder nicht einhalten wird. Dieses Kriterium sieht eine Neuverschuldung von unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vor, aber in diesem Jahr werden es voraussichtlich 4,1 Prozent sein. Auf eine Strafe aus Brüssel muss sich Paris wohl dennoch nicht einstellen.

Sollte die Kommission tatsächlich Anfang März nur mahnend mit dem Finger auf Frankreich zeigen, aber von Sanktionen absehen, dann wäre eine offene Konfrontation zwischen Brüssel und Paris vermieden. Auf eine solche Eskalation hatte noch bis vor Kurzem einiges hingedeutet: Im November gewährte die Kommission der Regierung in Paris wieder einmal einen Aufschub. Damals wurde die Entscheidung darüber, ob Frankreichs zu hohe Neuverschuldung bestraft wird, um drei Monate vertagt. Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger, der Frankreich angesichts des ständigen Verstoßes gegen das Drei-Prozent-Kriterium als „Wiederholungstäter“ bezeichnete, sah zähneknirschend zu. Und der lettische Vize-Kommissionschef Valdis Dombrovskis schloss anschließend Sanktionen der EU nicht aus.

Frankreich muss Strukturreformen liefern

Entscheidend für die Bewertung der Kommission ist dabei gar nicht so sehr die Frage, ob Paris nun in diesem Jahr die Drei-Prozent-Hürde nimmt oder nicht. Denn eine Erfüllung dieses Kriteriums gilt bei allen Beobachtern ohnehin in den nächsten Jahren als illusorisch. Inzwischen wird in Paris damit gerechnet, dass die Vorgabe aus dem Euro-Stabilitätspakt von Frankreich erst 2018 eingehalten wird – also nach der Präsidentschaftswahl. Für das Urteil der Kommission wird vielmehr maßgeblich sein, ob die Regierung des Sozialisten Manuel Valls seit dem vergangenen Herbst Strukturmaßnahmen eingeleitet hat, die das Defizit nachhaltig senken. In Paris glaubt man sich auf der sicheren Seite, seit die Regierung vergangene Woche die „Loi Macron“ ohne Parlamentsabstimmung durchpeitschte. Das nach dem Wirtschaftsminister Emmanuel Macron benannte Gesetz sieht eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten an Sonntagen vor und soll der „Grande Nation“ zu einem Wachstumsschub verhelfen.

Gesetz zur Verlängerung der Ladenöffnungszeiten ist ein erster Schritt - mehr nicht

Viele Beobachter bezweifeln aber, dass Macrons Gesetz schon ausreicht, um den Reformstau in Frankreich zu überwinden. Wäre Paris so wie Athen auf ein Hilfsprogramm der Euro-Länder angewiesen, so könnte die EU-Kommission mit Macht zusätzliche Reformschritte in Frankreich durchsetzen. Aber die Ausgangslage ist anders: „Griechenland muss einen Deal finden, sonst ist es pleite. Das ist bei Frankreich natürlich nicht der Fall“, erklärt Fabian Zuleeg von der Brüsseler Denkfabrik European Policy Centre (EPC). Deshalb glaubt er, dass beide Seiten im Streit um die Haushaltszahlen aus Paris einen Kompromiss finden werden. Im Kern geht es dabei um das sogenannte Strukturdefizit, also jenes Minus im Etat, bei dem das konjunkturelle Auf und Ab herausgerechnet wird.

Nach den Regeln des Stabilitätspakts müsste Frankreich sein Strukturdefizit in diesem Jahr eigentlich um 0,5 Prozent des BIP zurückführen, also um rund zehn Milliarden Euro. Nach den Brüsseler Berechnungen dürften es indes nur 0,3 Prozent sein. In der vergangenen Woche schrieb der Pariser Finanzminister Michel Sapin einen Brief nach Brüssel, in dem er sich verpflichtete, die EU-Vorgabe einzuhalten. In Pariser Regierungskreisen wird darauf hingewiesen, dass der Stabilitätspakt die „nötige Flexibilität“ aufweise und die „ehrgeizige Reformagenda“ Frankreichs berücksichtigt werden müsse.

Diese Sicht wird offenbar auch in Berlin geteilt. Solange das Nachbarland beim Wachstum schwächelt, will man in der Bundesregierung angesichts der Schwierigkeiten in Paris, den Stabilitätspakt einzuhalten, Nachsicht walten lassen.

Wenn Valls’ Regierung zu Beginn des kommenden Monats tatsächlich von Strafzahlungen verschont bliebe, dann hätte sie das nicht zuletzt dem Franzosen Pierre Moscovici zu verdanken. Der Pariser Ex-Finanzminister, der als EU-Währungskommissar die Etats in der Euro-Zone überwacht, gab jüngst in einem Interview mit dem Sender Europe 1 einen Fingerzeig, wie er die Reformbemühungen in seinem Heimatland einschätzt. Macrons Gesetz sei „hilfreich“, ließ Moscovici die Zuhörer wissen.

Dieser Text erschien in der "Agenda" vom 24. Februar 2015 - einer neuen Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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