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Die Mitglieder des Vereins Digitalcourage haben beim Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde gegen Staatstrojaner eingereicht.
© Uli Deck/dpa

Staatstrojaner: Das Auge des Gesetzes liest mit

Der Verein Digitalcourage reicht Verfassungsbeschwerde gegen sogenannten Staatstrojaner ein. Der Verein sieht rechtliche Grenzen überschritten.

Der Datenschutz-Verein Digitalcourage hat am Dienstag in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde gegen den Einsatz sogenannter Staatstrojaner zur Verbrecherjagd eingereicht. „Das Gesetz dient nicht der Sicherheit, es gefährdet sie“, erklärte der Verein mit Sitz in Bielefeld. Der Berliner Rechtswissenschaftler Jan Dirk Roggenkamp, der die Verfassungsbeschwerde mit ausgearbeitet hat, erklärte, die Quellen-Telekommunikationsüberwachung und die Online-Durchsuchung überschritten bei Weitem die äußerste Grenze rechtsstaatlicher Ausforschung der Intimsphäre für die Strafverfolgung. Denn damit werde die offene Verwertung höchstvertraulicher Informationen ermöglicht.

Der Staatstrojaner ist eine Spionage- Software, die auf Smartphones oder Computern heimlich installiert wird, um Daten abzugreifen. So können Ermittler Nachrichten über Messenger-Dienste wie WhatsApp mitlesen, die zwischen den Geräten verschlüsselt übermittelt werden. Vor knapp einem Jahr trat das Gesetz in Kraft, das diese Form der Ermittlung nicht nur zur Terrorabwehr, sondern auch zur Aufklärung anderer Straftaten erlaubt. Kritiker prangern an, dass das „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ mitten in einem laufenden Gesetzgebungsverfahren durch einen entsprechenden Passus zum Staatstrojaner ergänzt wurde.

Die Nutzung digitaler Überwachung hat deutlich zugenommen

Die Kläger befürchten die zunehmende Aushöhlung von Grundrechten und einen Ausbau eines Überwachungsstaates und wollen mit ihrer Verfassungsbeschwerde Einschränkungen bei staatlichen Observationsinstrumenten erreichen. Digitalcourage hatte 2008 bereits erfolgreich gegen das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung geklagt.

Die Nutzung digitaler Überwachung durch Behörden hat inzwischen deutlich zugenommen. Das gehe aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken hervor, berichtete am Dienstag das „Handelsblatt“. So verschickte der Verfassungsschutz im ersten Halbjahr 2018 mehr als 100 000 sogenannte stille SMS zur Ortung von Handys. Vor fünf Jahren waren es noch 29 000. Auch das BKA nutzt diese Methode und verschickte im selben Zeitraum 31 000 SMS, was einen Anstieg von von 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet.

BKA-Präsident Holger Münch verteidigte diese Ausweitung: „Es kann nicht sein, dass das Internet ein rechtsfreier Raum ist. Wir müssen Bürger und Unternehmen schützen“, sagte Münch dem „Handelsblatt“. „Und dazu gehört, dass wir auch in der Lage sein müssen, in diesem Raum zu ermitteln.“ Er betonte, dass die Methode nur bei besonders schweren Straftaten wie Mord, Raub, Betrug oder Geldwäsche, nur in Einzelfällen und auf Grundlage einer richterlichen Anordnung angewandt werde.

Auch die FDP plant eine Klage gegen den Staatstrojaner. Die Überwachung von Computern und Smartphones sei „ein besonders schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, am Dienstag. (mit epd)

Hannes Soltau

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