Pawel Adamowicz: Danziger Bürgermeister stirbt nach Messerangriff
Am Montag ist der Danziger Bürgermeister an den Verletzungen einer Messerattacke gestorben. Tausende Polen versammelten sich am Abend zu Trauerkundgebungen.
Der bei einer Messerattacke niedergestochene Danziger Bürgermeister Pawel Adamowicz (53) ist seinen Verletzungen erlegen. "Trotz all unserer Bemühungen haben wir ihn nicht retten können", sagte der Arzt Tomasz Stefaniak am Montag laut der Nachrichtenagentur PAP. Auch der Gesundheitsminister Lukasz Szumowski bestätigte am Montag im polnischen Fernsehen TVN24 den Tod des Danziger Bürgermeisters. Man habe ihn nicht retten können.
Bis zuletzt hatten Ärzte des Danziger Universitätsklinikums um das Leben des parteilosen Bürgermeisters gekämpft. Er war am Sonntagabend vor den Augen hunderter Menschen niedergestochen worden: Beim Finale einer landesweiten Spendenaktion hatte ein 27-jähriger Danziger die Bühne gestürmt und mehrmals mit einem Messer auf Adamowicz eingestochen. Die Klinge war laut Staatsanwaltschaft fast 15 Zentimeter lang.
Nach der Meldung vom Tod des Bürgermeisters kündigte die Staatsanwaltschaft an, in dem Fall nun wegen Mordes zu ermitteln. Der Täter habe aus niederen Beweggründen gehandelt, sagte der stellvertretende Generalstaatsanwalt Krzysztof Sierak. Dafür könnte ihm sogar lebenslange Haft drohen.
Landesweit versammelten sich Polen am Abend zu spontanen Trauerkundgebungen und Demonstrationen gegen Gewalt. Allein in Warschau waren es Tausende Menschen, meldete die Agentur PAP. In Danzig sagte der EU-Ratspräsident, Polens Ex-Regierungschef Donald Tusk: „Ich verspreche Dir heute, lieber Pawel, dass wir für Dich unser Danzig, unser Polen und unser Europa von Hass befreien werden.“ Viele Danziger zündeten vor dem Rathaus Kerzen an. Sie könnten ihren Schmerz nicht in Worte fassen, berichteten polnische Medien.
Täter saß wegen Banküberfällen in Haft
Hinter der Tat vom Sonntagabend wurde Rache vermutet. Der Mann soll gerufen haben, dass er unschuldig in Haft gewesen sei, hieß es unter Berufung auf Augenzeugen. Ermittler schlossen eine psychische Erkrankung des Angreifers nicht aus, der psychologisch untersucht werden sollte. Der Mann war polnischen Behörden zufolge vorbestraft und hatte wegen einer bewaffneten Banküberfallserie bereits fünfeinhalb Jahre in Haft gesessen. Berichten zufolge war er erst im Dezember freigekommen.
Nach Angaben des Innenministeriums war Adamowicz nach dem Angriff reanimiert worden. Anschließend sei er im Krankenhaus fünf Stunden lang operiert worden, sagte sein Arzt Stefaniak. Adamowicz erlitt demnach Verletzungen an Herz, Zwerchfell und Organen im Bauchraum und verlor viel Blut.
Adamowicz gehörte bis 2015 der derzeitigen Oppositionspartei Bürgerplattform PO an und war seitdem parteilos. Die Bürgerplattform stellte von 2007 bis 2015 die Regierung, Ministerpräsident war bis zu seiner Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2014 der in Danzig geborene Parteigründer Donald Tusk.
Maas: "Dieses feige Attentat macht uns fassungslos"
Betroffen äußerten sich auch der polnische Präsident Andrzej Duda, Regierungschef Mateusz Morawiecki und zahlreiche Politiker aus Regierung und Opposition. Die Bundesregierung kondolierte ebenfalls. "Wir sind tieftraurig und bestürzt über den Tod von Pawel Adamowicz", erklärte Außenminister Heiko Maas (SPD). "Dieses feige Attentat macht uns fassungslos."
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier drückte der Frau des Bürgermeisters, der auch zwei Töchter hinterlässt, sein Beileid aus. „Mit großer Trauer habe ich von dem Tod Ihres Ehemannes Pawel Adamowicz erfahren, der Opfer einer so sinnlosen Gewalttat wurde.“ Adamowicz sei aktiv an der friedlichen Protestbewegung beteiligt gewesen, die zum Ende des kommunistischen Regimes in Polen führte und den Weg zum Fall der Berliner Mauer bereitete, betonte Steinmeier.
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker wandte sich in einem Schreiben an Präsident Duda. „Im Namen der Europäischen Kommission möchte ich der Familie von Pawel Adamowicz, der Gemeinschaft von Danzig und allen Bürgern Polens unsere tiefe Anteilnahme ausdrücken.“ Adamowicz habe in hohem Maße zur Entwicklung Danzigs beigetragen und Bedürftigen - unabhängig von ihrem Hintergrund - geholfen.
Auch der Polen-Beauftragte der Bundesregierung, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), zeigte sich schockiert über die "heimtückische Attacke" auf den Danziger Bürgermeister. "Adamowicz hat Danzig mit seinem liberalen Kurs geprägt. Dabei war er stets ein verlässlicher Partner für uns." Die deutsch-polnische Parlamentariergruppe verurteilte das "grauenvolle Verbrechen" ebenfalls.
Der Bürgermeister von Danzigs Partnerstadt Bremen, Carsten Sieling (SPD), erklärte: "Adamowicz stand für ein weltoffenes und liberales Polen, für ein Europa der Völkerverständigung, für eine offene und tolerante Gesellschaft, eine Gesellschaft der Bürgerrechte in der auch Minderheiten geschützt werden."
Auch die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles würdigte Adamowicz als überzeugten Europäer, "der für Weltoffenheit und Toleranz stand". CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak twitterte, die Nachricht von Adamowicz' Tod mache ihn "tief betroffen".
Tat löst Debatte über Hassreden aus
Der Angreifer soll der Bürgerplattform die Schuld für seine Haft gegeben haben, hieß es. „Ich saß unschuldig im Gefängnis“, rief er auf von polnischen Medien verbreiteten Videoaufnahmen der Tat. Darauf war auch zu sehen, dass der Mann nicht von der Bühne floh, sondern triumphierte, bis er vom Sicherheitspersonal überwältigt wurde.
Bislang unbestätigten Medienberichten zufolge hatte sich der Angreifer mit einer Medienakkreditierung Zugang zur Bühne der Spendenveranstaltung verschafft. Behörden kündigten eine Untersuchung der Sicherheitsmaßnahmen an. Bei der jährlichen Benefizveranstaltung der Organisation WOSP wird Geld für die Ausstattung von Kinderkrankenhäusern gesammelt.
„Ich bin erschüttert“, sagte eine Augenzeugin unter Tränen im TV. Der Angriff auf das Leben und die Gesundheit Adamowiczs müsse aufs Schärfste verurteilt werden, schrieb Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bei Twitter. Die Tat löste in Polen auch eine politische Debatte über Hassreden aus. Der heftige Streit zwischen der Opposition und der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS könne zur Eskalation der Gewalt beigetragen haben, meinen Kritiker.
Adamowiczs Stellvertreterin Aleksandra Dulkiewicz rief zu Einigkeit auf. Der Angriff dürfe nicht für politische Zwecke benutzt werden, sagte sie. Dem schloss sich auch die PiS-Sprecherin Beata Mazurek an. Die Attacke müsse von ausnahmslos allen verurteilt werden. „Heute ist Bürgermeister Adamowicz nicht unser politischer Gegner, sondern Opfer krimineller Aggression“, sagte sie. (AFP, dpa)