USA wollen Syriens Rebellen militärisch unterstützen: Damaskus weist Chemiewaffen-Vorwurf als Lüge zurück
Die Regierung in Damaskus hat die von den USA vorgebrachten Vorwürfe, Syrien hätte Chemiewaffen eingesetzt, als "Lügen" zurückgewiesen. Russland findet die Darstellung der USA "nicht überzeugend". Merkel erklärte, Deutschland werde den Rebellen keine Waffen liefern.
Die Regierung in Damaskus hat die von den USA vorgebrachten Vorwürfe eines Einsatzes von Chemiewaffen durch die syrische Armee als „Lügen“ zurückgewiesen. Die Erklärung des Weißen Hauses sei „mit Lügen gespickt“, erklärte am Freitag ein Vertreter des syrischen Außenministeriums nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Sana. Die US-Regierung hatte zuvor mitgeteilt, dass sie den Einsatz von Chemiewaffen im syrischen Bürgerkrieg durch die Truppen von Staatschef Baschar al-Assad als erwiesen ansehe.
Zuvor hatte sich die US-Regierung vom Einsatz tödlicher Giftgase durch das Regime von Baschar al-Assad überzeugt gezeigt und wollte daher die Rebellen in Syrien nun direkt militärisch unterstützen. Dies schließt nach US-Medienberichten vom Freitag erstmals auch die Lieferung von Kleinwaffen und Munition an die Aufständischen ein. Die syrische Opposition begrüßte die Pläne.
In Russland warf ein führender Außenpolitiker den USA dagegen vor, die Beweise für einen Chemiewaffeneinsatz des syrischen Regimes seien eine Lüge. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, Deutschland werde den Rebellen keine Waffen liefern. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sieht die Unterstützung der USA für die Rebellen kritisch.
„Der Geheimdienst schätzt, dass bislang 100 bis 150 Menschen in Syrien durch die nachgewiesenen Attacken mit chemischen Waffen ums Leben gekommen sind“, sagte der stellvertretende Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Ben Rhodes, am Donnerstag (Ortszeit) in Washington. Auch das Nervengas Sarin sei in geringen Mengen angewendet worden.
Beim G8-Gipfel in Nordirland in der kommenden Woche wollten die USA nun mit ihren Alliierten über weitere Schritte beraten. Großbritannien und Frankreich hatten sich immer wieder für eine massivere Unterstützung der syrischen Rebellen ausgesprochen. Beide Staaten beschuldigen Damaskus, Giftgas einzusetzen. Allerdings stehen auch Rebellen im Verdacht, Giftgas verwendet zu haben.
„Auch wenn die Todeszahl durch diese Angriffe lediglich einen kleinen Anteil an der Opferzahl in Syrien von nunmehr über 90 000 ausmacht, verletzt der Gebrauch chemischer Waffen internationale Normen und überschreitet klar die roten Linien, die seit Jahrzehnten in der internationalen Gemeinschaft gelten“, sagte Rhodes.
Der Einsatz von Chemiewaffen markierte die "Rote Linie" Obamas
US-Präsident Barack Obama plane jetzt eine verstärkte militärische Unterstützung der Rebellen. Obama hatte den Einsatz von Chemiewaffen in dem Bürgerkrieg stets als „Rote Linie“ bezeichnet und dem Assad- Regime Konsequenzen angedroht. Details zur Art der militärischen Hilfe nannte Rhodes nicht. „Die geplante Unterstützung sieht aber anders aus als die bisherige“, sagte er. Sie solle die Effizienz der Rebellen stärken und richte sich nach deren Bedürfnissen.
Die USA würden sich mit ihren Verbündeten wie Frankreich und Großbritannien beraten. „Wir werden auch mit anderen Staaten in der Region kooperieren“, sagte Rhodes. Über die Einrichtung einer möglichen Flugverbotszone gebe es noch keine Entscheidung.
Die „Washington Post“ und die „New York Times“ schrieben unter Berufung auf Regierungsbeamte, bei der militärischen Unterstützung gehe es zunächst um Kleinwaffen und Munition. Es sei auch die Möglichkeit der Lieferung von Panzerabwehrwaffen erwähnt worden.
Flugabwehrwaffen kämen dagegen derzeit nicht in Betracht. Für die Lieferungen, die in einigen Wochen beginnen sollten, sei der Geheimdienst CIA zuständig.
Russland beliefert die Regierung in Damaskus mit Waffen. Die Rebellen bekommen Nachschub vor allem aus den arabischen Golf-Monarchien. Obama hoffe, in der Waffenfrage am Rande des G8-Gipfels mit Kremlchef Wladimir Putin weiterzukommen, sagte Rhodes.
In Verteidigungskreisen hieß es, dass die USA ihre F16-Kampfjets und Luftabwehrraketen des Typs Patriot in Jordanien stationiert lassen.
Der Generalstabschef der von Deserteuren gegründeten Freien Syrischen Armee (FSA), General Salim Idriss, äußerte im Nachrichtensender Al-Arabija die Hoffnung, dass die USA ihre Pläne zur Militärhilfe rasch umsetzten. Ähnlich äußerte sich der Interimsvorsitzende der Oppositionsplattform Nationale Koalition, George Sabra.
Protest kam aus Russland: Die Berichte über den Giftgaseinsatz seien „an derselben Stelle fabriziert“ worden wie die „Lüge“ über Massenvernichtungswaffen des irakischen Diktators Saddam Hussein, schrieb Alexej Puschkow, Chef des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma in Moskau, bei Twitter. „Obama schlägt denselben Weg ein wie (sein Vorgänger) George Bush.“ Die russische Regierung hält die Vorwürfe für „nicht überzeugend“. Das Vorhaben der USA, die gegen die Truppen von Präsident Baschar al-Assad kämpfenden Rebellen mit Waffen auszustatten, werde das Bemühen um eine friedliche Lösung komplizierter machen, teilte der Kreml am Freitag in Moskau mit. Russland ist einer der letzten Verbündeten Assads.
SPD-Fraktionschef Steinmeier sagte im Inforadio des RBB: „In Syrien gibt es viel Mangel. Es gibt an einem keinen Mangel, und das sind Waffen“. Eine Syrienkonferenz müsse eine politische Lösung vorbereiten.
Seit Beginn des Kriegs starben mindestens 93 000 Menschen
Bereits vor Monaten hatte es erste Berichte über den Einsatz von Giftgas im Bürgerkriegsland gegeben. Nach Erkenntnissen von UN-Ermittlern wurden wahrscheinlich mindestens viermal chemische Waffen eingesetzt. Es gebe „hinreichende Gründe“, dies zu glauben, hatte die vom UN-Menschenrechtsrat berufene Syrien-Kommission am 4. Juni in Genf erklärt. Der Einsatz von Chemiewaffen ist nach internationalen Abkommen ein unter Strafe stehendes Kriegsverbrechen.
Nach einer neuen Opferstatistik der Vereinten Nationen hat der Aufstand gegen das syrische Regime seit seinem Beginn im März 2011 mindestens 93 000 Menschen das Leben gekostet. Nach UN-Darstellung könnte die tatsächliche Zahl der Toten noch viel höher sein. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, appellierte an alle Konfliktparteien, „einen Waffenstillstand zu erklären, bevor Zehntausende weitere Menschen getötet oder verletzt werden.“ Mehr als 6500 der Opfer seien Minderjährige gewesen - fast 1730 von ihnen Kinder unter zehn Jahren. (dpa/AFP)