Vor der Europawahl: CSU-Politiker Manfred Weber wird Spitzenkandidat der Konservativen
Der Fraktionsvorsitzende der EVP im Europa-Parlament hat gute Chancen, nächster Chef der EU-Kommission zu werden.
Der 46-jährige CSU-Politiker Manfred Weber ist am Donnerstag in Helsinki als Spitzenkandidat der EVP, der christdemokratischen europäischen Parteienfamilie, für die Europawahl aufgestellt worden. Er hat ein Traumergebnis eingefahren: Die Delegierten haben ihn mit 492 zu 127 Stimmen gewählt. Als der Luxemburger Jean-Claude Juncker beim letzten Mal gegen den Franzosen Michel Barnier angetreten war, ging das Rennen deutlich enger aus. Gegen Weber war der ehemalige finnische Regierungschef Alexander Stubb angetreten.
Die hohe Zustimmung hat sich Weber erarbeitet. Seit vier Jahren führt er die Fraktion der Christdemokraten im Europaparlament (EVP), der auch die deutschen Abgeordneten von CDU und CSU angehören. Die EVP-Fraktion ist mit 217 Sitzen die stärkste Kraft im Europaparlament. Weber ist als Fraktionschef unangefochten und hat sich mit seinem ausgleichenden Stil viele Sympathien erobert. Bereits vor dem Kongress hatte er sich die Unterstützung der Parteichefs aus so gut wie allen EU-Mitgliedstaaten sichern können. Angela Merkel warb noch am Donnerstag bei den Delegierten für Weber.
Der erste Deutsche seit Hallstein
Weber hat gute Chancen, nächster Chef der EU-Kommission zu werden. Die Kommission hat auf EU-Ebene die Aufgabe, Gesetzgebungsvorschläge zu erarbeiten und die Einhaltung der EU-Verträge zu überwachen. Zu früheren Zeiten hatten die Staats- und Regierungschefs unter sich ausgemacht, wer der nächste Kommissionschef wird. Das Europaparlament will, dass auch nach der Wahl im Mai 2019 der Spitzenkandidat, der die meisten Stimmen erringt, Kommissionspräsident wird. Die Christdemokraten müssen zwar 2019 mit Verlusten rechnen, werden aber voraussichtlich wieder stärkste Kraft.
Sollte Weber es schaffen und tatsächlich nächster Kommissionspräsident werden, wäre er der erste Deutsche in dieser Position nach Walter Hallstein, der 1958 Chef der ersten EU-Kommission überhaupt wurde. Weber würde noch in einem zweiten Punkt Geschichte schreiben. Er, der keine Regierungserfahrung hat, würde die Serie beenden, dass ein ehemaliger Staats- und Regierungschef an die Spitze des Brüsseler Beamtenapparates tritt. Angesichts der mit dem Lissaboner Vertrag gestiegenen verfassungsrechtlichen Bedeutung des Europaparlaments lässt es sich gut begründen, dass der Chef der stärksten Fraktion nach dem Amt greift.
Weber wurde immer wieder als Nachfolger von Horst Seehofer als CSU-Parteichef gehandelt. Mit seiner Wahl zum Spitzenkandidaten dürfte sich dies erledigt haben. Inhaltlich ist der Niederbayer davon überzeugt, dass die Eindämmung der illegalen Zuwanderung nach Europa die Schlüsselfrage im kommenden Wahlkampf wird. Er setzt sich für einen robusten Schutz der Außengrenzen ein. Allerdings glaubt er – anders als Seehofer – an eine europäische Lösung und befindet sich damit auf einer Linie mit Merkel. Er ist der Meinung, dass die Türkei nicht zur EU gehört und will die ruhenden Beitrittsverhandlungen auch förmlich beenden.