Hase und Igel in der Union: CSU-Chef Markus Söder will Bayern bis 2040 klimaneutral machen
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wollen Union und SPD zügig über ein neues Klimaschutzgesetz beraten.
Das Verhältnis zwischen CDU-Chef Armin Laschet und dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder gleicht zuweilen einem Hase-und-Igel-Spiel. Wenn Laschet thematisch einen Aufschlag macht, hat Söder sich oft schon öffentlichkeitswirksam dazu geäußert.
So ist es auch am Montag, als Laschet nach der Sitzung des CDU-Präsidiums zum Klimaschutz eine kurze Pressekonferenz gibt. Für die CDU sei klar, man wolle Klimaneutralität „deutlich vor Mitte des Jahrhunderts“ erreichen, sagt Laschet.
Sein Maßnahmen-Paket soll nach einem großen Wurf klingen. Und schließlich zeugt es ja auch von klimapolitischem Ehrgeiz, was der CDU-Chef in Aussicht stellt: Bisher galt als Zielmarke, dass Deutschland Wirtschaft, Mobilität und Konsum bis 2050 so umstellt, dass kein Kohlendioxid mehr in die Atmosphäre gelangt. An dieser Jahreszahl orientieren sich auch viele Staaten weltweit.
Doch schon in der ersten Frage an den Unions-Kanzlerkandidaten Laschet geht es um Söder. Der ist mal wieder vorgeprescht, hat gefordert, Bayern solle bereits 2040 klimaneutral sein – allerdings, ohne dies mit detaillierten Maßnahmen zu unterfüttern. Ob er das auch für machbar halte, will der Journalist von Laschet wissen. Der wirkt etwas unwirsch. „Schneller als vor Mitte des Jahrhunderts“, das sei die Vorgabe. Jedes Land könne da seine Regeln festlegen.
Nicht erst seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts versucht der bayerische Ministerpräsident Söder, sich in Sachen Klimaschutz zu profilieren. Aber auch Laschet weiß, dass das Thema im Wahlkampf eine zentrale Rolle spielen wird. Da kann er das Vorpreschen aus Bayern nicht brauchen.
Die Karlsruher Richter hatten am vergangenen Donnerstag das Klimapaket der Bundesregierung, das Ende 2019 unter dem Eindruck der Fridays-for-Future-Proteste auf den Weg gebracht wurde, als teilweise verfassungswidrig eingestuft. Es fehlten konkrete Vorgaben zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen nach 2030, monierte das Gericht. Dies sei eine unzulässige Beschränkung der Freiheitsrechte der jüngeren Generation, weil die Auswirkungen der Klimakrise vor allem auf sie verschoben würden. Bis spätestens Ende 2022 müsse die Bundesregierung nachbessern.
Doch so lange wollen Union und SPD sich nicht Zeit lassen – wohl auch, weil es im Wahlkampf auf sie zurückfallen würde. Bis Ende der Woche will Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) einen ersten Gesetzentwurf vorlegen. Ohnehin steht die Bundesregierung mit ihrer Klimapolitik gerade unter besonderer Beobachtung. So lädt die Umweltministerin in dieser Woche zum virtuellen „Petersberger Klimadialog“ ein – ein informelles Vorbereitungstreffen auf den UN-Klimagipfel in Glasgow im November.
Am Donnerstag redet dort neben UN-Generalsekretär António Guterres und dem britischen Premierminister Boris Johnson auch Angela Merkel. Die Kanzlerin steht unter Druck, der Staatengemeinschaft etwas zu präsentieren. Anders als 2010, als Deutschland zum ersten Mal auf den Petersberg nach Bonn einlud, hat Merkel nicht mehr den Ruf der „Klimakanzlerin“. Schon beim Gipfel des US-Präsidenten Joe Biden konnte sie nicht mit neuen Einsparzielen aufwarten, im Gegensatz zum britischen Premier.
Klimaschützer erwarten ein verbindliches Signal
Klimaschützer erwarten deshalb ein verbindliches Signal der Kanzlerin. Zum einen geht es um die Frage, die das Verfassungsgericht aufgeworfen hat: Welchen konkreten Beitrag leistet Deutschland nach 2030 zum Klimaschutz? Aber auch für die Zeit danach. So hat die EU gerade erst ihre Klimaziele für das nächste Jahrzehnt verschärft: Bis 2030 soll der Ausstoß an klimaschädlichen Treibhausgasen um 55 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 sinken anstelle der bisher angepeilten 40 Prozent. Das bedeutet, dass auch Deutschland nachschärfen muss.
Über eine Neuregelung des Klimagesetzes soll in den kommenden Tagen in der Koalition, aber auch mit Grünen und FDP gesprochen werden. Umweltministerin Schulze fordert mehr Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Aber auch ein höherer CO2-Preis ist in der Diskussion. Dieser würde die Nutzung fossiler Brennstoffe wie Heizöl, Erdgas, Benzin oder Diesel verteuern. Wenn die EEG-Umlage abgeschafft und der Strompreis gesenkt werde, habe man einen „echten Steuerungsmechanismus“, sagt CDU-Chef Laschet. Wer CO2 einspare, werde begünstigt. Die Grünen sehen das ebenso – und würden die Einnahmen gerne in Form eines „jährlichen Schecks für jeden Haushalt“ zurückgeben.
Die Grünen wollen außerdem den Kohleausstieg von 2038 auf 2030 vorziehen. CSU-Chef Söder will ihn durch finanzielle Anreize beschleunigen und verspricht „mehr Kohle für Kohle“. Laschet lehnt Korrekturen am Kohleausstiegsgesetz ab. „Wenn man ein Versprechen gemacht hat, sollte man da als Gesetzgeber nicht ständig nachlegen.“