„Wie Krieg ohne Waffen“: Corona-Patienten in Brasilien ersticken – weil es nicht genug Sauerstoff gibt
In der Millionenstadt Manaus warten Hunderte infizierte Patienten auf ein Krankenbett. Dutzende sterben, weil sie nicht beatmet werden können.
Brasiliens Millionenstadt Manaus steht vor einer Katastrophe. Rund eine Woche vor dem Beginn der Impfkampagne in Brasilien ist die Zahl der schweren Covid-19-Verläufe derart in die Höhe geschnellt, dass es keine Krankenhausbetten mehr für Covid-19-Patienten gibt.
Gesundheitsminister Eduardo Pazuello hatte in einer Übertragung in sozialen Netzwerken zusammen mit Präsident Jair Bolsonaro am Donnerstagabend bestätigt: „Es gibt einen Kollaps in der Gesundheitsversorgung in Manaus.“ Demnach warteten dort 480 Covid-19-Patienten auf ein Krankenhausbett.
Schlimmer noch: Der Sauerstoff ist ausgegangen. Aus Krankenhäusern wird berichtet, dass Dutzende Menschen ersticken. Auf manchen Covid-19-Stationen sollen alle Patienten gestorben seien.
In Manaus übersteigt der tägliche Sauerstoffverbrauch die Produktionskapazität des wichtigsten Herstellers vor Ort. Die Regierung des Bundesstaats Amazonas verdächtigt die Produzenten, die Stadt zu vernachlässigen.
Eine Ärztin beschrieb auf Twitter das Gefühl der Machtlosigkeit. „Du musst mit ansehen, wie deine Patienten sterben. Du kannst ihnen nur Morphin geben, damit sie weniger leiden. Es ist wie in einem Krieg und du hast keine Waffen.“
Immerhin: Am Freitag lieferte die brasilianische Luftwaffe Sauerstoff nach Manaus. Dies berichtete das brasilianische Nachrichtenportal „G1“ unter Berufung auf die Luftwaffe. Demnach waren zwei Transportflugzeuge mit 386 Sauerstoff-Zylindern am frühen Morgen in der abgelegenen Stadt mitten im Amazonas-Gebiet angekommen.
Weil die Aufnahmekapazitäten in den Hospitälern von Manaus erschöpft sind, sterben nun auch immer mehr Menschen zuhause. Seit Beginn des Jahres ist die Zahl der Covid-19-Toten in Manaus um 90 Prozent gestiegen, allein am Sonntag wurden 144 Opfer beerdigt. Um die große Zahl an Leichen bewältigen, haben die Friedhöfe Kühlkammern aufgestellt.
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Bolsonaro bleibt untätig
Manaus, das mehr als zwei Millionen Einwohner hat und eine boomende Industriestadt ist, erlebt damit eine Wiederkehr der schlimmen Zustände, die zu Beginn der Pandemie herrschten. Im Frühjahr war Manaus eine der am stärksten von Covid-19 betroffenen Städte der Welt. Bilder von Massengräbern, die von Baggern zugeschüttet wurden, verbreiteten sich rund um den Globus.
Als Reaktion auf die katastrophale Lage hat der Gouverneur von Amazonas nun eine Ausgangssperre zwischen 19 Uhr und 6 Uhr über den Bundesstaat verhängt. Die brasilianische Regierung unter Präsident Jair Bolsonaro zeichnet sich unterdessen durch Untätigkeit und schädliches Verhalten aus.
In Millionenstädten wie Rio de Janeiro, São Paulo oder Brasília gingen am Freitagabend zahlreiche Menschen auf ihre Balkone, schlugen mit Löffeln auf Töpfe und riefen „Bolsonaro, tritt zurück“. Ähnliche Proteste hatte es zuletzt Mitte 2020 auf dem ersten Höhepunkt der Corona-Krise gegeben.
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Das Gesundheitsministerium unter General Eduardo Pazuello hat die Hospitäler in Manaus allen Ernstes angewiesen, den Patienten Hydroxychloroquin zu verabreichen. Dem Malariamittel konnte in Studien keinerlei Wirksamkeit gegen Corona nachgewiesen werden.
Doch nicht nur Manaus hat zuletzt einen drastischen Anstieg der Corona-Infektionen verzeichnet, sondern Brasilien insgesamt. Die Zahl der Covid-19-Toten liegt zurzeit bei mehr als 1000 Menschen pro Tag. Sie ist damit wieder so hoch wie zuletzt im August. Fast 210.000 Brasilianer sind bislang an Covid-19 gestorben.
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Der voraussichtlich Beginn der Impfkampagne in den nächsten Tagen macht deswegen vielen Menschen Hoffnung. Zwei Stoffe sollen gespritzt werden: die Coronavac-Impfung des chinesischen Unternehmens Sinovac. nd die Oxford-Impfung des britisch-schwedischen Unternehmens Astra-Zeneca. Der Zulassungsantrag für die russische Sputnik-V-Impfung soll noch diesen Monat eingereicht werden.
„Wenn du ein Kaiman wirst, ist das dein Problem.“
Die Voraussetzungen für eine umfassende Impfung in Brasilien sind eigentlich gut. Das öffentliche Gesundheitssystem SUS besitzt eine verzweigte und erprobte Infrastruktur. Doch es gibt ein Problem, und es heißt auch hier: Jair Bolsonaro. Immer wieder sät der Präsident Zweifel an den Impfstoffen: „Wir übernehmen keine Verantwortung“, sagte er. „Wenn du ein Kaiman wirst, ist das dein Problem.“
Eine Impfpflicht werde es mit ihm nicht geben. In Brasilien mit seinem niedrigen Bildungsgrad sind solche Aussagen fatal, weil viele Menschen glauben, sie müssten sich nicht impfen lassen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wirft Bolsonaro deshalb „Sabotage“ im Kampf gegen die Pandemie vor. Brasiliens Opposition nennt Bolsonaro „genocida“ – Völkermörder.
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