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Der Feingeist und die Bodenständige. Der künftige FDP-Chef Christian Lindner stellt seine Wunsch-Generalsekretärin Nicola Beer vor.
© dpa

Der Baukasten der FDP: Christian Lindner und die Rettung des Liberalismus

Nach dem Rauswurf aus dem Bundestag hat die FDP nun vier Jahre Zeit, sich wieder aufzurappeln. Wie sich der künftige Parteichef Christian Lindner die „Parlamentspause“ vorstellt.

Von Antje Sirleschtov

Es ist vielleicht der wichtigste Satz, der an diesem Vormittag im Haus der geschlagenen FDP in der Berliner Reinhardtstraße gesagt wird. Wobei „geschlagen“ sich nur auf die Präsenz im Bundestag bezieht. Denn vorhanden ist die Partei noch. Und Christian Lindner will sie wiederbeleben, zurückführen in den Bundestag. An diesem Freitag – nebenan sondiert Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gerade eine neue Koalition mit der SPD – stellt Lindner seine Wunsch-Generalsekretärin vor: Nicola Beer, 43 Jahre alt, hessische Regierungsliberale. Beer steht in der Berliner FDP-Zentrale und sagt, ihr Ziel sei es zu erreichen, dass sich Menschen wieder zur FDP bekennen wollen, „und zwar auch nach außen“. Dafür wolle sie arbeiten, wenn die Liberalen Lindner Anfang Dezember zum FDP- Chef wählen und sie dann seine rechte Hand wird.

Darum geht es also: Die FDP aus der gesellschaftlich-politischen Ächtung herauszuholen, ihr den üblen Geruch des Neoliberalen, des Kaltherzigen und des Egoismus zu nehmen und sie so wieder zurück ins Zentrum der deutschen Politik zu holen. Bei der Bundestagswahl 2017 sollen wieder mehr als fünf Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme der FDP geben. „Wirtschaftspolitisch kompetent und gesellschaftspolitisch sensibel“ soll sie werden, diese FDP des Christian Lindner. Also nicht näher zur SPD und auch nicht weiter nah an der CDU. „Eigenständig“, sagt er und „ideologiefrei“.

Christian Linder kennt seine Schwächen

Was das konkret bedeutet? Das wissen Lindner und Beer wahrscheinlich selbst noch nicht so genau. Von Lindner weiß man zumindest, dass er seine Liberalität aus dem Studium der Altväter des Liberalismus bezieht: Frage immer zuerst, was der Einzelne erreichen kann, und dann, wo er Hilfe braucht. Der Staat als „Partner“ nicht als einer, der „Lebensformen vorschreibt“. Ein bisschen Wirtschaftsliberalismus à la Otto Graf Lambsdorff (Wirtschaftsminister unter der sozial-liberalen Koalition von Kanzler Helmut Schmidt, SPD, und unter der schwarz-gelben Koalition unter Kanzler Helmut Kohl, CDU), ein bisschen Gesellschaftsliberalismus à la Gerhart Baum (Innenminister mit Bürgerrechtsagenda unter Schmidt) und ein bisschen weltmännische Jovialität à la Hans-Dietrich Genscher (Außenminister unter Helmut Schmidt wie unter Kohl): So in etwa sieht Lindner seine FDP.

Dass er Nicola Beer zu seiner Statthalterin in Berlin auserkoren hat, zeigt zumindestens, dass der neue Chef seine Schwächen kennt: Bei aller Feingeistigkeit fehlt es ihm oft an der Lust zur harten Basisarbeit. „Ich bin bodenständig“, sagt Beer über sich selbst und meint damit, dass sie über jahrelange Erfahrung in Kreisverbänden und dem Landtag verfügt. Beer hat also eine Vorstellung davon, wie man eine Partei zusammenhält, deren Mitglieder ihren Vorsitzenden nicht mehr täglich im Fernsehen kluge Reden halten sehen. Eine „Mitmachpartei“ soll sie werden, die neue FDP. Christian Lindner ihr intellektueller Kopf, Nicola Beer die Frau für das Grobe.

Die FDP hat deutschlandweit noch 104 Abgeordnete

104 Abgeordnete haben Lindner und Beer für die FDP gezählt. In Landtagen und im Europäischen Parlament. Bis vor zwei Wochen waren es allein 93 im Bundestag, das zeigt, wie schmal die parlamentarische Basis der Partei noch ist. Aber diese Basis ist der einzige Ort, von dem aus man Politik gestalten kann, wenn man nicht im Bundestag vertreten ist. Was ein Herr Lindner von der FDP zu einem politischen Thema meint, interessiert nämlich schon bald niemanden mehr. Was der gleichnamige Fraktionschef der FDP im Landtag von Nordrhein-Westfalen zu sagen hat, dagegen schon. Regelmäßig will deshalb Lindner die Spitzen der Fraktionen zusammen rufen.

Daneben will Lindner die „Stärksten und Besten“ der FDP zu einer „Mannschaft der Vielfalt“ vereinen und mit ihr die Partei während der „Parlamentspause“ führen, wie er die Zeit der Abwesenheit der FDP im Bundestag verniedlicht. Alte bewährte Gesichter sollen dabei sein wie neue unverbrauchte. Nur Philipp Rösler und Rainer Brüderle, die den Absturz der Partei vor zwei Wochen an der Spitze zu verantworten hatten, werden nicht mehr dabei sein. Beide, sagt Lindner, hätten ihm signalisiert, dass sie keine aktive Rolle mehr spielen wollen.

Es ist ein Wettlauf gegen das Vergessen in der Öffentlichkeit, den Lindner und Beer zu bestehen haben. Und gegen die Konkurrenz: Schon hat die Euro-kritische „Alternative für Deutschland“ (AfD) den FDP-Euro-Rebellen Frank Schaeffler aufgefordert, überzulaufen und weitere FDP- Mitglieder nachzuholen. Und niemand weiß, ob und wie viel Erfolg die AfD damit haben wird.

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