Taiwan-Drohung: Chinas Staatschef hat eigentlich die USA im Visier
Xi Jinping droht Taiwan, die Insel notfalls gewaltsam mit China zu vereinigen. Tatsächlich geht es ihm um den Konflikt mit Donald Trump. Ein Kommentar.
Was Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping da in der Großen Halle des Volkes in Peking von sich gegeben hat, klingt bedrohlich: Xi sprach davon, die Wiedervereinigung mit Taiwan notfalls auch mit Gewalt erzwingen zu wollen. Man behalte sich "alle erforderlichen Mittel" vor, sagte er.
Und in der Tat ist die Situation für die Insel gefährlicher geworden. Das aber liegt gar nicht so sehr an Xis Rede – letztlich wiederholte er darin nur den offiziellen Standpunkt seiner Volksrepublik, die Taiwan als abtrünnige Provinz betrachtet, die eines Tages wieder mit dem Festland vereinigt werden müsse. Es liegt vielmehr an den veränderten globalen Rahmenbedingungen, die es wahrscheinlicher erscheinen lassen, dass dieser Tag nicht mehr allzu fern liegen könnte.
Da sind zum einen die Unabhängigkeitsbestrebungen Taiwans. De facto sind die 23 Millionen Inselbewohner bereits unabhängig, formell aber ist das eine ganz andere Sache. Die Erklärung der formellen Unabhängigkeit würde der Volksrepublik als Grund für eine militärische Intervention dienen, das ist seit 40 Jahren klar. Taiwans Präsidentin Tsai Ing-Wen hat daher eine solche Erklärung auch nicht auf der Agenda. Allerdings fordert sie von der Volksrepublik, die "Realität" der "Republik China", so der offizielle Name ihres Landes, anzuerkennen. Argwöhnisch wird auf dem Festland beobachtet, wie sich Taiwan unter Tsai politisch weiter vom Festland entfernt.
Xi Jinpings Rede ist eine Reaktion darauf, und die Drohung mit der gewaltsamen Wiedervereinigung bedient den chinesischen Nationalismus, der inzwischen auch die Diktatur der Kommunistischen Partei legitimiert. Die KP steht daher in der Taiwanfrage innenpolitisch unter Druck. Wie schwach ist unsere KP, und wofür braucht es sie noch, könnten sich Chinas Nationalisten fragen, falls sich Taiwan jemals für unabhängig erklären sollte. Für eine Wiedervereinigung, lautet Xi Jinpings aktuelle Antwort.
Vor allem aber richtet sich die Rede an die USA und an deren Präsidenten Donald Trump. Dieser hat China in einen kostspieligen Handelskonflikt verstrickt, der für die Kommunistische Partei bedrohlich ist. Denn fortdauerndes Wirtschaftswachstum ist das andere Standbein der Ein-Parteien-Herrschaft in China. Nun aber steht das offizielle Versprechen der KP, dass es allen Chinesen bis 2021 wirtschaftlich deutlich besser gehen wird, durch die aktuellen Konjunktureintrübungen in Frage.
Mit der Androhung einer militärisch erzwungenen Wiedervereinigung hat Xi Jinping sich ein weiteres Druckmittel für die Verhandlungen mit den USA geschaffen. Die Vereinigten Staaten haben sich mit dem "Taiwan Relations Act" von 1979 zur Unterstützung Taiwans verpflichtet. Sie sind ein politischer und militärischer Partner der Insel. Ob sie aber im Ernstfall auch zu einer militärischen Auseinandersetzung mit China bereit sind, darf unter dem aktuellen Präsidenten mindestens angezweifelt werden. Trump will bekanntlich nur die USA wieder "great" machen – eine Insel im Ostchinesischen Meer dürfte in seinen Abwägungen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Auch das macht die Lage für Taiwan gefährlicher.
Benedikt Voigt