Südasien: Chinas neue Schuldendiplomatie
Das Projekt „Neue Seidenstraße“ lässt Chinas Einfluss in Südasien wachsen – sehr zum Ärger der Regionalmacht Indien.
Auf manche Einwohner der Malediven hat ihr diktatorischer Präsident Abdullah Yameen wie ein besonders böser Dschinn gewirkt. Also wie einer jener Geister, gegen die nur schwarze Magie hilft. Yameen ließ ehemalige Präsidenten, Oppositionelle und Oberste Richter verhaften oder trieb sie ins Exil. Auch hat er ganze Atolle des Inselparadieses an Saudi-Arabien und China mit langfristigen Verträgen so gut wie verkauft. Bis vor Kurzem schien Voodoo die einzige Lösung, diesen ungeliebten Machtinhaber loszuwerden. Doch am Ende war es eine demokratische Wahl, die ihn stürzte. Oppositionskandidat Ibrahim Mohamed Solih löst ihn überraschend ab.
Der Machtwechsel im Inselparadies ist eine gute Nachricht für Indien – und eine schlechte für China. Der Wahlsieger hat angedeutet, dass das Verhältnis zu China „neu überprüft“ werde.
Unter Yameen hatte China die Malediven zu einem Teil seiner „Neuen Seidenstraße“ erklärt, eines globalen Infrastrukturprojekts, mit dem China die Handelswege nach Asien, Europa und Afrika ausbauen will. Peking schloss ein Handelsabkommen mit den Malediven ab und investierte 1,2 Milliarden Dollar in dem für Öltransporte strategisch günstig gelegenen Land. Die Beziehungen zwischen Indien und den kulturell verwandten Malediven verschlechterten sich. Malé ist die einzige Hauptstadt in der Region, die Indiens Premierminister Narendra Modi noch nicht besucht hat. Das könnte sich jetzt ändern.
Das multireligiöse Indien ist der glaubensverwandte große Bruder der Länder Südasiens. Dennoch ist es China gelungen, auf den Malediven, in Pakistan, Sri Lanka, Bangladesch, Bhutan oder auch Myanmar mit der „Neuen Seidenstraße“ seine strategische und wirtschaftliche Präsenz auszubauen. Das alles geschieht zu Ungunsten der Regionalmacht Indien.
Ein Grund für Chinas wachsenden wirtschaftlichen Einfluss in der Region liegt dem Politikprofessor Brahma Chellaney zufolge in der Organisation. „China hat eine einzige Anlaufstelle für Projektgenehmigungen, da können westliche Demokratien oder auch Indien nicht Schritt halten“, sagt der indische China-Experte. Ferner würde China keine „unangenehmen“ Fragen zu inländischen Angelegenheiten stellen oder im Namen von Menschenrechtsverletzungen und arbeitsrechtsbezogenen Fragen Investitionen verweigern.
In der gesamten Region baut China strategisch wichtige Projekte
Sri Lanka ist ein gutes Beispiel für Chinas erfolgreiche Schuldendiplomatie in Indiens Nachbarschaft. Die südwestlich von Indien gelegene Insel ließ sich von China einen neuen Seehafen bauen sowie den Hafen der Hauptstadt Colombo ausbauen. Weil Sri Lanka anschließend seine Schulden nicht bedienen konnte, musste das Land den Hafen Hambantota für 99Jahre an China verpachten. Im Gegenzug erließ Peking einen Großteil seiner Schulden. Wie die Malediven ist auch Sri Lanka von großer strategischer Bedeutung im Indischen Ozean. China fühlt sich dort derart zu Hause, dass es seine U-Boote gleich zweimal im Hafen der Hauptstadt einlaufen ließ – was in Neu-Delhi große Wut auslöste.
In der gesamten Region baut China im Rahmen der „Neuen Seidenstraße“ strategisch wichtige Projekte. In Myanmar hat Peking eine 800 Kilometer lange Öl- und Gaspipeline gebaut, ein Tiefwasserhafen befindet sich in Planung. In Bangladesch investieren die Chinesen in Kohlekraftwerke, Hafenanlagen, Brücken oder Telekommunikation 14 Milliarden Dollar, weitere 13 Milliarden Dollar sind in Aussicht gestellt. Im kommunistischen Nepal baut China eine Eisenbahn durch das Himalaja-Gebirge, die das Hochland von Tibet mit Kathmandu verbinden soll. Eigentlich ist Nepal neben Indien das einzige andere Land mit einer Hindu-Mehrheit. „Kulturelle Beziehungen hin oder her – für Entwicklungsländer hat nationales Interesse Vorrang“, sagt Chellaney.
Im Norden Indiens gibt es seit Jahrzehnten eine – aus indischer Sicht unheilige – militärische Allianz zwischen seinem Erzfeind Pakistan und China. Indien protestiert auch gegen den chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridor, weil er durch Kaschmir führt, das Indien und Pakistan beanspruchen. Umso entschlossener will Pakistans neuer Premier, Imran Khan, diese Verbindungsstraße trotz hoher Verschuldung weiterbauen lassen.
Doch inzwischen trifft Chinas Expansionsdrang auch auf Schwierigkeiten „Bis 2017 genoss China unangefochtene Handlungsfreiheit entlang seiner Seidenstraße, aber das ist heute anders“, sagt der Politikexperte Chellaney. „Von Europa bis Japan gibt es scharfe Kritik an Chinas Motiven.“ Indien dürften diese Bedenken sehr gelegen kommen.
Padma Rao