Bundestag: Chemie-Lobbyisten beschämen die Koalition
Ausgerechnet die Chemieindustrie setzt sich für mehr Transparenz beim Einfluss von Interessenvertretern auf den Gesetzgebungsprozess ein. Dabei wäre das eigentlich Aufgabe der Politik.
Dass ausgerechnet die Chemie-Lobbyisten von der Politik mehr Transparenz in der Interessenvertretung einfordern, um Glaubwürdigkeit und damit Demokratie zu stärken, dürfte insbesondere Union und SPD beschämen. Schließlich liegen deren Koalitionsverhandlungen erst ein paar Wochen zurück und noch nicht einmal die Einführung eines Lobbyregisters hat es in den Vertrag geschafft.
Mehr Transparenz im Umgang von Politik und Lobbyismus war beiden offenbar nicht so wichtig. Wobei festzuhalten bleibt, dass CDU und Grüne diesen Plan zuvor gegen den Widerstand der FDP in das Sondierungspapier der Jamaikaner hinein verhandelt hatten.
Als klar wurde, dass die große Koalition dem Vorbild der EU und vieler deutscher Bundesländer nicht folgen und die Interessenvertreter – vom Beamtenbund bis hin zur Waffenlobby – verpflichten wird, in einem öffentlichen Register festzuhalten, wer in wessen Auftrag und mit welchen Finanzmitteln im Bundestag und der Regierung die Interessen der Auftraggeber vertritt, hat sich der Verband der Chemischen Industrie zur eigenen Initiative entschlossen – und in Transparency International einen Partner gefunden.
„Es muss deutlich werden, wer welche Rolle hat, wie viel Geld eingesetzt und mit wie vielen Mitarbeitern diese Aufgabe wahrgenommen wird“, begründete der Hauptgeschäftsführer des Chemieverbandes, Utz Tillmann, seine Forderung nach einem Lobby-Gesetz. Denn fehlende Transparenz schüre Misstrauen. „Das Bedürfnis der Gesellschaft nach Transparenz ist legitim und nachvollziehbar.“
"Legislativer Fußabdruck"
In dem Gesetz wollen Transparency und der Chemieverband nicht nur die Einführung des Lobbyregisters geregelt wissen, in dem sich die Betroffenen eintragen und einem Verhaltenskodex unterwerfen. Jeder soll online überdies in einer Datenbank nachvollziehen können, welche Interessenvertreter im Gesetzgebungsverfahren auf Regierung und Parlamentarier Einfluss genommen haben. Dieser „legislative Fußabdruck“ soll verhindern, dass einzelne Interessengruppen ihre gewünschten Formulierungen in Gesetzestexten hinein verhandeln und die Öffentlichkeit davon nichts erfährt. Über die Einhaltung des Gesetzes soll nach Ansicht von Transparency und dem Verband ein Lobbybeauftragter des Bundestages wachen.
Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Eva Högl hat in den Koalitionsverhandlungen um ein solches Transparenzgesetz gerungen – ohne Erfolg. Nun sagt sie, ihre Fraktion wolle sich weiter dafür einsetzen, dass in dieser Legislaturperiode zumindest ein Lobbyregister eingeführt wird.
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