Griechenland: Chef und Stellvertreter von Neonazi-Partei in Haft
Der griechische Neonazi-Chef muss wegen einer mutmaßlichen Verwicklung in einen Mordfall in U-Haft. Am Donnerstagabend erließ die Justiz nun auch einen Haftbefehl gegen die Nummer zwei der Partei.
Als die griechische Justiz am Mittwochmorgen nach einem 18-stündigen Haftprüfungsmarathon drei zuvor festgenommene Abgeordnete der Neonazi-Partei Goldene Morgenröte überraschend auf freien Fuß setzte, dürfte Nikos Michaloliakos aufgeatmet haben. Der Parteichef, den schwer bewaffnete Beamte der Anti-Terror-Polizei am vergangenen Samstagmorgen unsanft geweckt und in Handschellen abgeführt hatten, konnte hoffen, nach sechs Tagen im Polizeigewahrsam wieder in seine komfortable Wohnung im Athener Vorort Pefki zurückzukehren.
Doch da hatte sich der 55-Jährige, der nach eigenen Angaben an der Athener Kapodistrias-Universität Mathematik studiert hat, verrechnet. Nach sechsstündiger Verhandlung entschieden zwei Untersuchungsrichter und zwei Staatsanwälte am frühen Donnerstagmorgen: Michaloliakos muss in Untersuchungshaft. Den Ausschlag für den Haftbefehl scheint die mutmaßliche Verwicklung des Parteichefs in den Mord an dem 34-jährigen linken Rap-Musiker Pavlos Fyssas gegeben zu haben. Am Donnerstagabend erließ die Justiz nach siebenstündiger Anhörung auch einen Haftbefehl gegen den Abgeordneten Christos Pappas, der als Nummer zwei der Neonazi-Partei gilt. In seiner Wohnung hatte die Polizei diese Woche mehrere nicht angemeldete Schusswaffen, Hitler-Porträts, Stahlhelme der Waffen-SS, Hakenkreuzfahnen, nationalsozialistische Literatur und andere Nazi-Devotionalien gefunden. Damit sitzen bereits vier Abgeordnete der Neonazi-Partei in Untersuchungshaft. Am Donnerstag nahmen die Ermittler weitere Verdächtige fest, darunter mehrere Polizeibeamte, die verdächtigt werden, an Straftaten der Neonazis beteiligt gewesen zu sein oder sie gedeckt zu haben.
Michaloliakos quittierte den Haftbefehl mit dem Ruf „Es lebe der Sieg“, als ihn Polizeibeamte in Handschellen aus dem Gerichtsgebäude führten. Am Donnerstagnachmittag wurde er ins Hochsicherheitsgefängnis Korydallos bei Piräus gebracht.
Für Michaloliakos ist es nicht der erste Aufenthalt dort. Schon mehrfach geriet er mit dem Gesetz in Konflikt. Als 16-Jähriger schloss er sich der rechtsextremen, antisemitischen Partei des 4. August an, deren Name auf das Datum der Machtergreifung des griechischen Diktators Ioannis Metaxas 1936 anspielt. Im Alter von 17 Jahren wurde Michaloliakos bei einer gewalttätigen Demonstration vor der britischen Botschaft in Athen festgenommen. Zwei Jahre später: Eine neuerliche Festnahme, wegen Körperverletzung. Weitere zwei Jahre darauf, 1978, wurde Michaloliakos wegen unerlaubten Waffen- und Sprengstoffbesitzes sowie Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 13 Monaten Haft verurteilt.
Diesmal geht es um mehr für den griechischen Neonazi-Chef, der den Holocaust leugnet und Hitler als „einen großen Mann des 20. Jahrhunderts“ verehrt. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Michaloliakos, Chef einer kriminellen Vereinigung zu sein und zum Mord an dem Musiker Fyssas angestiftet zu haben. Ein Schuldspruch würde Michaloliakos für viele Jahre hinter Gitter bringen und seine politische Karriere wohl beenden. Welche Folgen das für die Partei hätte, ist schwer abzuschätzen. Die 1985 von Michaloliakos gegründete und 1974 als Partei zugelassene Goldene Morgenröte ist ganz auf ihren „Führer“ zugeschnitten. Unumstritten ist er aber nicht. Dass er seine Frau für ein Parlamentsmandat nominierte, stieß in Teilen der Partei ebenso auf Widerspruch wie seine einsame Entscheidung, einen für Oktober 2012 geplanten Parteitag abzusagen.
Michaloliakos hat lange auf den Erfolg seiner Goldenen Morgenröte warten müssen. In den ersten 17 Jahren als Partei kam sie nie auch nur an die Einprozentmarke heran. Erst die Krise und die harten Sparvorgaben der internationalen Geldgeber trieben ihr Protestwähler zu. Nach nur 0,3 Prozent bei der Wahl von 2009, wurde Michaloliakos 2010 mit 5,3 Prozent in den Athener Stadtrat gewählt, wo er sich mit dem Hitlergruß vorstellte. Bei der Parlamentswahl vom Juni 2012 erzielten die Neonazis bereits knapp sieben Prozent und schickten 18 Abgeordnete ins griechische Parlament. In einer Umfrage von Anfang September kam die Goldene Morgenröte sogar auf 14 Prozent. Jüngste Umfragen scheinen immerhin zu zeigen, dass die Partei nach dem Mord und den Enthüllungen über ihre kriminellen Umtriebe Sympathien verloren hat.
Gerd Höhler