Nach der Präsidentschaftswahl: Chávez spaltet Venezuela
Nach der Präsidentschaftswahl ist Venezuela gespalten. Regime-Kritiker stellen die Transparenz der Wahlen in Frage. Der neue gewählte Präsident Nicolás Maduro versucht indes, in die Fußstapfen seines Vorgängers zu treten, der als Geist zu ihm spreche.
„Hugo Chávez siegt weiterhin Schlachten auf dieser Erde“: Mit diesen Worten richtete sich der Chávez Nachfolger Nicolás Maduro in seiner ersten Ansprache nach dem Wahlsieg am Sonntag an Venezuelas Volk. Maduro schrieb somit den Sieg nicht sich selbst, sondern seinem verstorbenen Vorgänger zu. Der Slogan seiner Wahlkampagne lautete nicht zufällig „Chávez sind wir alle“. Der am fünften März verstorbene Caudillo sollte nun allgegenwärtig sein. Die Kraft seiner Persönlichkeit und sein Charisma sollten auch nach seinem Tod noch ausreichen, um seinen Nachfolger in den Präsidentenpalast zu befördern. Es ist nicht das erste Mal, das Nicolás Maduro nach Chavez Tod auf dessen verbleibende Anwesenheit verweist. Auch als im vergangenen Monat der erste lateinamerikanische Papst gewählt wurde, sagte er, Franziskus sei dem „Comandante“ zu verdanken, der vom Himmel aus Einfluss auf die Papstwahl genommen habe.
Während den Präsidentschaftswahl ließ sich Maduro mit einem Strohhut, auf dem ein kleiner Plastikvogel befestigt war, blicken. Der Vogel verweist wiederum auf Hugo Chávez. Vergangene Woche soll nämlich ein kleiner Vogel zu Maduro gesprochen haben: „Der Kampf geht los. Geht hin und holt Euch den Sieg. Ihr habt unseren Segen“ soll der Vogel gezwitschert haben. Maduro ist sich sicher, dass der sprechende Vogel niemand anderes als der Geist von Hugo Chávez war. Chávez scheint überall zu sein.
Trotzdem wird dessen Abwesenheit immer deutlicher. Der Ausgang der Wahlen machte sie spürbar, wie nie zuvor. Nicolás Maduro siegte mit nur 50,66 % der Stimmen über seinen Gegner Henrique Capriles. Der Vorsprung war knapper als erwartet. Capriles, hatte vor nur sechs Monaten mit 44% der Stimmen den Wahlkampf gegen den sterbenskranken Caudillo verloren. Diesmal aber erkannte Capriles seine Niederlage nicht an und forderte eine Nachzählung der einzelnen Wahlstimmen. Regimekritische Medien stellen die Transparenz der Wahlen in Frage.
Auch für die in Berlin lebenden regime-kritischen Venezolaner waren die Wahlen ein Ereignis. Sie gaben an der venezolanischen Botschaft ihre Wahlstimme ab und versammelten sich später in einem Lokal in Charlottenburg, um die Wahlen zu verfolgen. „Es waren eigentlich alle Venezolaner eingeladen, aber es ist trotzdem kein Maduro-Anhänger gekommen“, sagt Monica González. Sie unterstützt zwar Henrique Capriles, findet aber, dass die politischen Meinungen und Visionen die Venezolaner nicht trennen oder gar verfeinden sollten. Das wichtigste sei ja, dass man aus demselben Land komme. Aber auch dieser Standpunkt ist nicht ganz unpolitisch, ist der Slogan der Capriles-Kampagne doch fast identisch: „Venezuela sind wir alle“.
González ist sich sicher, dass die Wahl manipuliert wurde. Man hätte zum Beispiel den so genannten „Voto asistido“ ausgenutzt. „Voto asistido“ bezeichnet die Unterstützung der alten oder kranken Bürgern, die nicht ohne Hilfe zu den Wahlurnen gelangen können. Man hätte auch in armen Vierteln die Leute unter Druck gesetzt, damit sie ihre Wahlstimme Maduro geben. Auch Klaus Friedel, ein venezolanischer Student, der am Sonntag in Berlin die Wahl bis spät in die Nacht verfolgte, glaubt nicht an die Transparenz des Wahlergebnisses. Die Zukunft seines Landes sieht er unter diesen Umständen als nicht gerade rosig an. Venezuela sei entzweit, meint er. Zur gleichen Zeit sei Maduros Sieg ein schwacher Sieg, was dazu führen werde, dass sich der Autoritarismus, der schon Chávez vorgeworfen wurde, womöglich noch verschärft.
Der Verdacht auf heimtückische und boykottlustige Gegner gilt aber auch der Opposition, sowohl in Venezuela, als auch im Ausland. Schon vor den Wahlen äußerte sich der Star- Regisseur Oliver Stone zu der in seinen Augen negativen Kampagne, die in den US- Medien gegen das Regime in Venezuela aufgezogen wird. Bei einer Pressekonferenz am Samstag, wunderte sich Stone über die Aufmerksamkeit, die zum Beispiel die New York Times dem Chávez-Regime schenke. „Ich glaube nicht, dass Adolf Hitler die gleiche Aufmerksamkeit in Deutschland bekäme“ behauptete er.
Laut Rober Jimenez, einem Sprecher der venezolanischen Botschaft in Berlin, hätten in Venezuela Versuche stattgefunden, die Wahl zu beeinflussen. Er bestätigte, dass Maduros Twitter-Account von Hackern überfallen wurde. Auch die Wahlbehörde habe zwischenzeitlich ihre Internetverbindung unterbrechen müssen, um einen möglichen Angriff von Hackern zu vermeiden. Er erklärte, die Zählung der Stimmen, die Capriles gestern forderte, hätte bereits begonnen. „Alle Klagen, die gegen den Wahlprozess aufgekommen sind, werden geprüft. Das Wahlorgan ist in Venezuela unabhängig“, versicherte Jiménez. Ob Maduro es schaffen wird, seinem Vorgänger zu ähneln, die Macht in die Hand zu nehmen und sich der wirtschaftlichen Krise seines Landes zu stellt, wird sich zeigen müssen.
Amancaya Finkel
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