Parteien: Chancen einer Kraft rechts der Union
Es geht mal wieder ein politisches Gespenst um, das Gespenst der sechsten Partei. Der Partei rechts von der Union. Genauer gesagt: der Partei, die Positionen übernimmt, von denen es heißt, sie würden von der Merkel-CDU nicht mehr repräsentiert.
Wertkonservativ, katholisch-ländlich-sozial, mittelstandsfreundlich, dazu der Anspruch, mit dem Geld der Bürger verantwortlicher umgehen zu können als alle anderen. Was eben in der stärker urban-technokratisch auftretenden Union dieser Tage zu fehlen scheint. „Sozialdemokratisierung“ ist ein anderes Stichwort dafür, dass sich zumindest die CDU für neue Wählerschichten zu öffnen versucht. Und damit die rechte Flanke öffnet.
20 Prozent könnte eine Partei bekommen, die konservativere Positionen übernimmt und vertritt, hat der Demoskop Klaus-Peter Schöppner von Emnid unlängst gesagt. Viele Wähler von CDU/CSU seien den Umfragen zufolge ins Nichtwählerlager abgetrieben. Also Potenzial für politische Treibgutfischer. Schöppner hat zum Beispiel den Halbheimatlosen Friedrich Merz genannt.
Aber wie realistisch ist sie eigentlich – diese sechste Partei? Der Parteienforscher Jürgen W. Falter von der Uni Mainz ist skeptisch. Denn das durchaus vorhandene Potenzial für eine neue Partei sei eine Sache, die Umsetzung in eine erfolgreiche Parteigründung eine andere. „Es ist schwer, ein Potenzial zu wecken“, befindet Falter und nennt zwei wesentliche Gründe: Personal und Geld. Ohne Finanzmittel lässt sich eine Gründungskampagne nicht starten, auch muss ein Organisationskern vorhanden sein. „Für eine erfolgreiche Parteigründung braucht es zudem prominente Köpfe, die als kompetent gelten und Charisma haben, dabei aber auch miteinander auskommen müssen“, sagt der Politologe. Ob das bei Friedrich Merz und Wolfgang Clement der Fall wäre, die da plötzlich als Duo im Gespräch sind, weil sie ein Buch zusammen veröffentlicht haben? Beide stünden zudem eher in der Mitte, weder der Wirtschaftsliberale Merz noch der Sozialliberale Clement gelten als konservativ. Und Roland Koch würde sich für eine Konkurrenz zur CDU kaum vereinnahmen lassen. „Man muss immer darauf achten, dass solche Projekte auch viele Unzufriedene und manche Spinner anziehen“, gibt Falter zu bedenken – ein Risiko für jeden Neuanfang.
Die Themen freilich sind vorhanden, auf denen sich eine Neugründung rechts der Union aufbauen könnte: Europaskepsis in Verbindung mit nationalen Ideen, Ablehnung des EU-Beitritts der Türkei, islamkritische Positionen, traditionell christliche Werte, Betonung der Familie als Kern der Gesellschaft und der Bewahrung der Schöpfung, was Lebensschützer einschließt, der Wunsch nach einer stärker marktwirtschaftlichen Politik zusammen mit dem generellen Verlangen nach weniger Staat. Einzelne dieser Punkte haben Splitterparteien schon zu ihrem Programm gemacht – Familienpartei, Elternpartei, ÖDP, Pro DM, einst der Bund Freier Bürger.
Falter aber glaubt nicht, dass sich dieser Themenmix für die Gründung einer größeren Partei aktivieren ließe. „Das ist schon eine sehr heterogene Gruppe, und diese Themen lassen sich nicht einfach zusammenführen“, meint er. So wird die sechste Partei vorerst wohl bleiben, als was sie derzeit daherkommt: ein politisches Gespenst.