Nach Einigung in Belgien: Ceta soll bis Samstag unterschriftsreif sein
Die Chancen für Ceta steigen: Den belgischen Kompromiss müssen die EU-Staaten jetzt noch akzeptieren. Kommissionspräsident Juncker plädiert in Zukunft für eine klare Festlegung der Zuständigkeiten.
Die Chancen für Ceta sind wieder gestiegen. Nur wenige Stunden nach der Absage des EU-Kanada-Gipfels hat Belgien seinen internen Streit um das Abkommen beigelegt. Die belgische Regierung einigte sich mit den Regionalregierungen auf eine Zusatzerklärung zum Vertrag. Dieser Text soll Belgien die Zustimmung zum Freihandelsabkommen ermöglichen. Damit gibt es aber immer noch kein grünes Licht für die Unterzeichnung. Die 27 Mitgliedsländer und Kanada müssen auch der Zusatzerklärung zustimmen.
Die EU-Botschafter machten den ersten Schritt. Die Botschafter der EU-Staaten haben den belgischen Ceta-Kompromiss akzeptiert. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Brüssel am Donnerstag aus EU-Kreisen. Die Regierungen der EU-Staaten müssen die Grundsatzentscheidung nun noch im schriftlichen Verfahren bestätigen. Dies soll bis Freitag um Mitternacht geschehen. Im Anschluss könnte ein neuer Termin für die Unterzeichnung angekündigt werden.
Sobald der Text fertig war, wurde er den EU-Botschaftern der Mitgliedsländer vorgelegt. Auch der juristische Dienst der Kommission muss noch prüfen, ob die vierseitige Erklärung mit den EU-Verträgen und mit dem eigentlichen Vertragstext von Ceta vereinbar ist. Die Federführung für die Prüfung liegt bei der slowakischen Regierung, die derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat. Die Prüfung hält zur Stunde an.
Die Zusatzerklärung
EU-Ratspräsident Donald Tusk zeigte sich erleichtert. Er twitterte: „Gute Nachrichten.“ Sobald seitens der EU alle Verfahren zur Unterzeichnung beendet seien, werde er den kanadischen Regierungschef kontaktieren, um einen neuen Termin für die Unterzeichnung und damit zur vorläufigen Inkraftsetzung des Abkommens zu finden.
Der Zeitplan sieht nun vor, dass die belgischen Regionalparlamente bis Freitagnacht Gelegenheit haben, um über die Zusatzerklärung abzustimmen. Danach können die Handelsminister der 28 Mitgliedsstaaten Ceta zustimmen und damit den Weg freimachen für die Unterzeichnung des Abkommens zwischen Kanada und der EU. Die Handelsminister müssen sich nicht treffen, es ist auch ein schriftliches Umlaufverfahren möglich. Um Ceta endgültig in Kraft zu setzen, müssen mehr als 40 Parlamente EU-weit dem Abkommen nochmals zustimmen.
Streit um Gentechnik
Der Handelsexperte der Christdemokraten im Europa-Parlament, Daniel Caspary (CDU), glaubt nicht, dass der Text, auf den sich die Belgier geeinigt haben, noch eine unüberwindbare Hürde darstellt. „Die Zusatzerklärung bereitet mir keine großen Bauchschmerzen“, sagte der Abgeordnete dem Tagesspiegel. Der Text enthalte in der Substanz nichts, was nicht schon im eigentlichen Ceta-Vertrag gestanden hätte. Weiter sagte Caspary: „Es wäre gut gewesen, wenn Belgien Europa die Blamage mit dem abgesagten Kanada-Gipfel und der Brüskierung der kanadischen Ministerin erspart hätte.“ Der Chef des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD), mahnte, Konsequenzen aus dem Hin und Her zu ziehen: Es gelte, „den gesellschaftlichen Dialog zu stärken und die Zukunft unserer Handelspolitik zu überdenken“. Die Zukunft könne man nur gemeinsam gestalten: „Der nationale Weg führt in die Sackgasse.“
Die Zusatzerklärung sieht unter anderem vor, dass die Pläne zum Aufbau eines Investitionsgerichts, die der Ceta-Vertrag enthält, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Prüfung vorgelegt werden. Auch heißt es, dass Ceta keine Folgen für die Gesetzgebung der EU im Zusammenhang mit gentechnisch veränderten Organismen haben dürfe.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat sich nach dem Ringen um Ceta dafür ausgesprochen, künftig frühzeitig die Zuständigkeiten zu trennen. "Wir werden uns in Zukunft überlegen müssen, wenn wir derartige Verhandlungen führen und Verträge abschließen, dass wir ab Tag eins fein säuberlich trennen, was in europäische Zuständigkeit fällt und was nationalen Parlamenten überlassen sein muss", sagte Juncker am Donnerstagabend in den ARD-"Tagesthemen."
Die Entscheidung, die nationalen Parlamente über Ceta abstimmen zu lassen, habe nach dem Brexit-Votum im Juni eine Mehrheit im Europäischen Rat gefunden, sagte Juncker, der selbst gegen die Mitsprache war. "Es ging ja im politischen Bereich darum deutlich zu machen, dass die Bürger via ihre nationalen Parlamente ein Mitspracherecht erhalten sollen", sagte er. "Dass dies zu Verzögerungen führt, war absehbar."
Dass der für Donnerstag geplante EU-Kanada-Gipfel zur Unterzeichnung des Ceta-Abkommens nicht stattfinden konnte, bedaure er sehr, sagte Juncker. "Das ist ein diplomatisches Unding." Aber es habe "ein innerbelgisches Problem gegeben, das es zu lösen galt".
(mit dpa/AFP)