Zoff in der großen Koalition: CDU-Generalsekretär nennt Sigmar Gabriel "bodenlos unverschämt"
Die Flüchtlingspolitik wird zur zunehmenden Belastungsprobe für Schwarz-Rot. Kritik von SPD-Chef Gabriel an der Kanzlerin lässt sich die CDU nicht gefallen - und reagiert ungewöhnlich scharf.
Kurz vor dem Ende der parlamentarischen Sommerpause sind die Partner der großen Koalition in zwei wesentlichen Politikfeldern in heftigen Streit geraten. In ungewöhnlich scharfer Weise wies die Union am Montag Kritik von SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel an der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin zurück und distanzierte sich von dessen Einschätzung, das Handelsabkommen TTIP sei „de facto gescheitert“.
Als „bodenlose Unverschämtheit“ bezeichnete CDU-Generalsekretär Peter Tauber Gabriels Äußerungen, im Gegensatz zur Union habe die SPD „immer gesagt, es ist undenkbar, dass Deutschland jedes Jahr eine Million Flüchtlinge aufnimmt“. Der SPD-Vorsitzende hatte der Union zudem vorgeworfen, die Integration der Flüchtlinge käme nicht ausreichend voran, weil CDU und CSU notwendige Entscheidungen blockieren würden. Das bezeichnete der CDU-Generalsekretär als unverantwortlich. „Nur mit einem ,Refugees Welcome’-Button auf der Regierungsbank sitzen – das ist ein bisschen wenig“, fügte Tauber mit Hinweis auf einen Auftritt Gabriels im September 2015 im Bundestag hinzu. Nicht die CDU, sondern die SPD habe Reformen verhindert. Tauber forderte den SPD-Vorsitzenden auf, dafür zu sorgen, dass die nordafrikanischen Staaten Marokko, Algerien und Tunesien wie verabredet zu sicheren Herkunftsländern erklärt würden. Dies verhindern die SPD-geführten Bundesländer.
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt warf Gabriel vor, er habe „offensichtlich den Sinn für die Realität verloren“. Es sei die SPD, die bremse und sich nicht an Absprachen halte. Dass der Vizekanzler auch über die Notwendigkeit von Obergrenzen beim Zuzug der Flüchtlinge gesprochen hatte, zeigt nach Ansicht von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer den „Schlingerkurs“ der SPD in der Asylpolitik, die im Gegensatz zur CSU zunächst gegen solche Obergrenze war.
Heftige Kritik musste der Vizekanzler auch für seine Auffassung zur Zukunft des TTIP-Abkommens mit den USA einstecken. Peter Tauber warf ihm vor, seine Aufgaben als Wirtschaftsminister zu vernachlässigen und Deutschland durch seine Äußerungen über das Freihandelsabkommen TTIP zu schaden: „Als Wirtschaftsminister muss man ihn daran erinnern, dass sein Amtseid dem deutschen Volke gilt, nicht der SPD.“
Merkels Sprecher Steffen Seibert bezeichnete es als „richtig, weiter zu verhandeln“. Auch in der EU-Kommission stieß Gabriels Position auf Unverständnis. Man habe Vorschläge für fast alle Kapitel des TTIP-Abkommens, sagte ein Kommissionssprecher und könne womöglich bis zum Jahresende ein Ergebnis der Verhandlungen vorlegen. Auch Vertreter der deutschen Wirtschaft gingen auf Distanz zum Minister. Gabriels Äußerung sei „politisch fragwürdig“, erklärte BDI-Präsident Ulrich Grillo. Der Maschinenbauverband VDMA forderte den Minister zum Einsatz für den Freihandel auf.