Nach NRW-Landtagswahl: CDU-Abgeordneter fordert Röttgen zum Rücktritt auf
Nach der schmerzlichen Wahlniederlage der CDU muss sich Norbert Röttgen der Frage stellen, ob er Umweltminister bleiben kann. Es mehren sich die Stimme derer, die daran zweifeln. Verfolgen Sie die Ereignisse im Live-Ticker.
16:10 Es gibt in der nordrhein-westfälischen CDU weiter Kritik an Norbert Röttgen. Es sei ein „Fehler“ gewesen, dass sich der Bundesumweltminister „nicht ohne Wenn und Aber“ für die Landespolitik entschieden habe, sagte Generalsekretär Oliver Wittke am Montag in Düsseldorf. Mit Olaf Lehne forderte zugleich der erste CDU-Landtagsabgeordnete in NRW den Rücktritt Röttgens auch als Bundesumweltminister. „Röttgen ist jetzt auch im Kabinett nicht mehr tragbar, sollte zurücktreten. Es hat sich deutlich gezeigt, dass die Partei auf den Falschen gesetzt hat“, sagte Lehne der „Bild“-Zeitung (Dienstagausgabe).
16:00 SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hat heute für einen rot-grünen Schulterschluss auch im Bund plädiert. Auf diese Linie habe sich die SPD-Spitze verständigt, sagte Nahles in Berlin. Der Wahlsieg in NRW sei eine Gemeinschaftsleistung von SPD und Grünen. An diesen Erfolg wolle man auch bei der Bundestagswahl und vorher bereits bei der Wahl in Niedersachsen anknüpfen. „Es bewegt sich etwas in Deutschland in unsere Richtung“, zeigte sich Nahles überzeugt. SPD und Grüne dürften jetzt nicht übermütig werden und so tun, als ob die Bundestagswahl in 16 Monaten bereits gelaufen sei.
15:15 Auch die Piraten, frisch eingezogen in den nordrhein-westfälischen Landtag, haben sich öffentlich zu Wort gemeldet. Spitzenkandidat Joachim Paul sagte in Düsseldorf zur Zusammenarbeit mit der Parteibasis: „Wir werden versuchen, konstruktiv konsensorientiert zusammenzuarbeiten.“ In Grundsatzangelegenheiten solle die Meinung der Partei eingeholt werden, nicht aber in Detailfragen. Die Fraktionsmitglieder seien die gewählten Vertreter der Partei. Es ist ein unter Piraten immer wieder umstrittener Punkt, wie autonom Fraktionen arbeiten dürfen und wie groß umgekehrt der Einfluss des Basis sein soll. Paul kündigte an, für den Fraktionsvorsitz kandidieren zu wollen. Noch sei nicht klar, wie die künftige Struktur der Partei aussehen werde, er werde aber seinen Hut auf jeden Fall in den Ring werfen.
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Paul schloss nicht aus, dass Mitglieder der Piratenfraktion Hannelore Kraft bei ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin unterstützen werden. „Es gibt keinen Fraktionszwang. Es ist durchaus denkbar, dass jemand mitstimmt“, sagte er. Er verwies aber darauf, dass SPD und Grüne allein über eine ausreichende Mehrheit verfügen.
13:40 Auch die FDP-Spitzen sind gemeinsam vor die Kameras getreten. FDP-Wahlsieger Christian Lindner sagte dabei, dass er gut mit seinem Parteichef zusammenarbeite. „Philipp Rösler und ich haben ein ordentliches Verhältnis, das ist kein Geheimnis“, sagte Lindner am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Rösler in Berlin. Lindner war vor fünf Monaten als Generalsekretär der Bundespartei zurückgetreten. „Es hat damals kein Zerwürfnis gegeben.“ Zu den Gründen, die letztlich zu seinem Rücktritt führten, hatte sich Lindner damals ausgeschwiegen. Allgemein war sein Rückzug aber als Kritik am Kurs des glücklosen Parteichefs Rösler gewertet worden. Der betonte am Montag, Lindner werde als Landes- und Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen eine wichtige Rolle in der Bundespartei spielen.
13:18 Die beiden werden gefragt, was sie zu der deutlichen Kritik von Horst Seehofer (siehe weiter unten in diesem Artikel) sagen. Röttgen will die Äußerungen nicht kommentieren und sagt, er wolle im Moment nicht andere kritisieren. Und auch Merkel lässt sich nicht zu einer öffentlichen Replik hinreißen.
Merkel wird gefragt: Ist Röttgen noch der richtige Minister?
13:12 Merkel wird gefragt, ob Röttgen noch der richtige Minister ist. Sie gibt zu Protokoll, an der Aufgabenstellung für den Umweltminister - Stichwort: Energiewende - habe sich durch den gestrigen Tag nichts geändert. Darüber, ob sie Röttgen für den richtigen für diese Aufgabe hält, verliert sie aber vorerst kein Wort. Röttgen sagt: "Ich werde keinen Fragen ausweichen, die sich stellen werden, jetzt oder später." Ob er sich jedoch nicht nur Fragen stellen, sondern auch weitere Konsequenzen ziehen will, sagt Röttgen nicht.
13:04 In der CDU-Parteizentrale ist Angela Merkel vor die Kameras getreten. Man siege gemeinsam und trage auch Niederlagen gemeinsam, sagt sie. Sie spricht einen Glückwunsch an Hannelore Kraft und gratuliert auch FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner. Der Erfolg der FDP zeige, wie schnell sich Dinge ändern könnten. Erst ganz am Ende ihres Statements dankt Angela Merkel Norbert Röttgen für seinen Einsatz. Mit Respekt habe man Röttgens Rückzug vom CDU-Landesvorsitz zur Kenntnis genommen. Dann spricht der Wahlverlierer selbst: Die CDU insgesamt, aber auch er ganz persönlich habe eine Niederlage erlitten - so weit dürften die Tatsachen mittlerweile allgemein bekannt sein. Die Niederlage habe am allermeisten mit ihm als Spitzenkandidaten zu tun, dem habe er durch seinen Rücktritt Rechnung getragen. Dann sagt Röttgen, heute und gestern sei in den CDU-Gremien sehr offen, aber auch fair diskutiert worden, was eine erfreuliche Erfahrung sei. Man habe den Kopf auch in der Niederlage aufrecht getragen und werde bald auch wieder nach vorne schauen.
11:45 Kanzlerin Angela Merkel hält an Norbert Röttgen als Bundesumweltminister fest. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag in Berlin zur Haltung der Kanzlerin: „Norbert Röttgen ist Umweltminister und hat als solcher wichtige Aufgaben zu erfüllen. Daran hat sich nach der Wahl nichts geändert.“ Interessant: Darüber, ob Röttgen diesen Aufgaben aus Sicht der Kanzlerin gewachsen ist, lässt sich aus diesem Zitat nichts erfahren. Röttgens Ministeriumssprecherin Christiane Schwarte sagte am Montagmorgen: „Er war wie immer hellwach und sieht den künftigen Aufgaben als Umweltminister mit großer Zuversicht und großem Engagement entgegen.“
11:40: Ein weiterer persönlicher Erfolg für Hannelore Kraft: Sie hat in Nordrhein-Westfalen das beste Erststimmenergebnis geholt. In ihrem Wahlkreis Mülheim I entfielen 59,1 Prozent der
Erststimmen auf sie - fast zehn Prozentpunkte mehr als vor zwei Jahren. Das beste CDU-Ergebnis holte Volker Jung im Wahlkreis Paderborn I mit 52,2 Prozent.
11:21 Die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht - immerhin eine Parteikollegin Norbert Röttgens - hat diesem mangelnde Eindeutigkeit vorgeworfen und demonstrativ der wiedergewählten SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gratuliert. “Sie hat einen wirklich hervorragenden Wahlkampf gemacht“, lobte Lieberknecht vor der CDU-Präsidiumssitzung. “Ich finde immer, die Wähler wollen vor allem eines, gerade in einer kompliziert gewordenen Welt: Eindeutigkeit.“ Das habe Kraft geliefert und die CDU in NRW nicht, kritisierte Lieberknecht.
11:07 Eine Überraschung ist das nicht: Die SPD will nach ihrem Wahlsieg möglichst schnell mit den Grünen einen neuen Koalitionsvertrag vereinbaren. Das kündigte Landtags-Fraktionschef Norbert Römer am Montag in Düsseldorf an. Auch der rot-grüne Haushaltsentwurf für das laufende Jahr, der Auslöser für die Neuwahlen gewesen war, solle rasch wieder ins Parlament eingebracht werden. Römer zeigte sich überzeugt, das die „erfolgreiche Regierungsarbeit“ mit den Grünen nahtlos fortgesetzt werden könne. Der Koalitionsvertrag werde eine „starke rot-grüne Handschrift“ tragen. „Die nächsten fünf Jahre werden eine gute Zeit für NRW“, sagte er.
10:50 Sigmar Gabriel und Hannelore Kraft sind im Berliner Willy-Brandt-Haus vor die Kameras getreten. "Gestern haben wir erlebt, zu was Sozialdemokraten fähig sind", sagt Gabriel. Bis hin zur Currywurst habe man das Lebensgefühl der Menschen widergespiegelt. Niemand habe so viel "Leidenschaft und Herz" wie Kraft gezeigt. Dann kommt Gabriel noch einmal auf die Botschaft zu sprechen, die seiner Meinung nach von diesem Wahltag in Erinnerung bleiben soll: dass nämlich Rot und Grün durchaus in der Lage sind, eine eigene Mehrheit zusammenzubekommen.
Dann spricht die Wahlsiegerin.
"Wir sind mächtig stolz, aber wir wissen auch, ein solcher Sieg ist immer ein Mannschaftserfolg", sagt Hannelore Kraft. Artig dankt sie den Genossen in Berlin und im ganzen Bundesgebiet. Als Leitlinie für die SPD gibt sie Verlässlichkeit aus. "Versprochen - gehalten", mit diesem Pfund habe man im Wahlkampf wuchern können.
Zum Abschluss, natürlich: ein üppiger Strauß roter Blumen von Gabriel für Kraft. Hier im Willy-Brandt-Haus ist die Welt heute rundherum in Ordnung. Auch in den anderen Parteien treffen sich heute die Gremien, um nach dem Wahlausgang zu beraten. Nicht überall, so viel ist sicher, wird die Stimmung so heiter sein wie bei den Sozialdemokraten.
10:05 Es mehren sich die Stimmen jener, die Zweifel an der Eignung Norbert Röttgens äußern - und zwar nicht in seiner Funktion als CDU-Landeschef, denn von der trat Röttgen ja schon zurück, als das Wahlergebnis noch kaum verkündet war. Es geht um das Amt des Bundesumweltministers und die Frage, ob Röttgen es noch ausfüllen kann.
Claudia Roth, Vorsitzende der Grünen, sagt: „Wie soll den einer, der dermaßen eine drübergekriegt hat, wie soll denn so jemand jetzt sagen: Ich nehme die Herkulesaufgabe in die Hand und schaffe es, dass Deutschland die Energiewende hinbekommt? Er ist definitiv nicht mehr ein starker Minister von Angela Merkel, sondern er ist ein definitiv geschwächter Minister.“
Und auch aus dem, was eigentlich die eigenen Reihen sein sollten, kommen deutliche Worte: "Norbert Röttgen ist zuständig für eines der wichtigsten Projekte dieser Regierung. Die Menschen wollen endlich Antworten hören, wie es mit der Energiewende weitergehen soll, und sie wollen sehen, dass wir aufs Tempo drücken. Ich hoffe, dass der Bundesumweltminister mit dieser Herausforderung anders umgeht, als mit dem Wahlkampf in NRW", das sagte CSU-Chef Horst Seehofer der Bild-Zeitung.
Koalitionsintern hat diese deftige Kritik bereits für Aufsehen gesorgt. „Ich wünsche ihm von Herzen, dass er nie so einen Wahltag erlebt, wie wir es erlebt haben“, sagte der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen CDU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Hintze, am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. „Aber falls er mal in seinem Leben einen so bösen Wahltag erlebt, dann wünsche ich ihm, dass er nicht solche Kommentare anhören muss von außen, wie er sie uns jetzt gestern und heute gegeben hat.“
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09:30 Viel Zeit hatte Christian Lindner am Sonntagabend nicht. Er musste nicht nur von Kamera zu Kamera eilen, sondern er wollte am späten Abend auch zurückgezogen im Kreis von Freunden das selbst Vollbrachte sacken lassen. Trotzdem war er nochmal bei seinen Parteifreunden und hat sich artig und ausführlichst bedankt. Doch es war nicht einfach nur ein Dank, es war auch ein Zeichen: Seht her, das haben wir hier in Nordrhein-Westfalen geschafft - zum Glück ohne große Hilfe von der Bundes-FDP. Aber das heißt bei Lindner nicht, dass es nur um NRW ging. Er betont in seiner Danksagung, dass es Hilfe aus Thüringen gegeben habe, aus Schleswig-Holstein und ja, doch auch aus Berlin. Nur keine politische. In Berlin brauchten sie nur eine Tiefgarage.
Dort musste Lindern für ein Wahplakat posieren. Er stand mit einem Fotografen in einer Berliner Tiefgarage (ob es in Düsseldorf keine gibt, ließ er unbeantwortet), es waren acht Grad und Lindner musste ohne Mantel und Krawatte auf dem Auto sitzen. "Anschließend war ich todkrank, aber es hat sich gelohnt" ruft er unter dem Beifall der Liberalen. Die Botschaft ist klar: Aus den Ländern heraus soll die FDP den Bund zurückerobern, mit ihm und auch mit Wolfgang Kubicki an der informellen Spitze. Wer braucht schon eine Parteiführung, wenn er so ein Personal in der Hinterhand hat.
"Das Ergebnis wird Rösler nur etwas mehr Zeit geben"
Das ist in etwa auch die Stimmung unter den Liberalen, die am Wahlabend gefeiert haben. Diesmal ist es kein Abend der bösen Überraschungen. Im Gegenteil. Für Thomas Nückel ist der Wahlausgang so überraschend, dass er erstmal neben sich steht im Zollhof. Vor zwei Jahren hat er schon einmal für die FDP in Herne kandidiert - chancenlos. Und auch diesmal hat er sich bis vor wenigen Tagen nichts ausgerechnet.
"Aber gerade in den letzten Tagen hat man gemerkt, dass die Stimmung kippt", sagt er. Richtig realisiert hat er seinen Erfolg noch nicht. Auch nicht als einer seiner neuen Kollegen auf ihn zukommt, ihm gratuliert und sagt: "Bis Dienstag um zehn." Nückel guckt ihn verdutzt an und fragt, was da sei, er habe da wichtige Termine. Genau, einer davon ist die erste Fraktionssitzung. "Stimmt", sagt Nückel.
Er wird sich dran gewöhnen. Nur an einen wird er sich nicht gewöhnen: Parteichef Philipp Rösler. Von dem wollen sie am Abend eigentlich nicht so gerne reden bei der FDP. Lieber davon, dass jetzt hoffentlich eine Art "innerer Frieden" eingekehrt ist.
Nückel aber redet: "Ich glaube nicht, dass dieses Ergebnis die Position Röslers stabilisiert, es wird ihm nur etwas mehr Zeit geben", sagt er. Er könne erkennen, wie man mit Themen umgeht, aber auch mit Menschen. Was denn der Unterschied sei zwischen Rösler und Lindner? "Wenn wir hier nur mit Rösler aufgetreten wären, wären wir untergegangen. Denn bei ihm gehen bei vielen Menschen die Augen zu, bei Linder gehen sie auf, er macht neugierig", sagt er.
Muss Lindner jetzt also das Ruder ganz übernehmen? So weit will Nückel nicht gehen. Lindner sei Chef des wichtigsten Landesverbandes, da habe er ohnehin viel Einfluss.
So wie Nückel denken viele in der FDP - vor allem in NRW. Die Liberalen haben jetzt wieder das Gefühl, Wahlen auch gewinnen zu können - mit dem simplen Claim: "meine FDP". Der sei geschickt gewesen, loben sich die Liberalen etwas selbst. Denn man sei in NRW ohne Regierungsoption ins Rennen gegangen. "Unsere Wähler haben uns nur wegen der FDP und wegen Lindner gewählt und nicht wegen einer Regierungskonstellation", sagt ein Mitglied des Landesvorstandes. Ein bisschen sind sie auch von sich selbst überrascht.
09:20 Nachgetragen sei an dieser Stelle auch das vorläufige amtliche Endergebnis, das in der Nacht zu Montag bekannt gegeben wurde. Die offiziellen Zahlen: Die SPD erreicht 39,1 Prozent, die Grünen 11,3. Die CDU hat nur 26,3 Prozent der Wähler von sich überzeugt - der schlechteste Wert in der Geschichte des Landes. Die FDP feiert mit 8,6 Prozent den Wiedereinzug in den Landtag. Zum ersten Mal im Parlament vertreten ist künftig die Piratenpartei mit 7,8 Prozent. Die Linke hingegen scheiterte mit 2,5 Prozent klar an der Fünf-Prozent-Hürde.