NSU-Abschlussbericht: Bundestag in großer Einmütigkeit
Der Bundespräsident ist da, viele Angehörige von Opfern der rechten Terrorgruppe NSU und für einen ist es der letzte Auftritt: Die Debatte zum Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses ist eine besondere gewesen.
Berlin - Es ist eine Ruhepause in der heißen Wahlkampfphase. Eine aber, die nicht zum Durchatmen einlädt, sondern zum Nachdenken. Denn am Montag kam der Bundestag zu einer Sondersitzung zusammen, um den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zu den Verbrechen der rechten Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) zu debattieren und zu verabschieden. Der Bericht wurde in großer Einigkeit verfasst, weshalb die Sitzung eine besondere wurde.
Zum Beispiel wegen Wolfgang Wieland. Für den Obmann der Grünen im NSU-Untersuchungsausschuss war es der letzte Auftritt vor dem Plenum des Deutschen Bundestages, weil er nicht noch einmal kandidiert. Er erinnerte daran, dass Streit nichts Schlechtes für ein Parlament sei, im Gegenteil: er sei konstituierend. „Aber die Auseinandersetzung muss mit Niveau, Respekt und Glaubwürdigkeit geführt werden.“
Oder wegen Eva Högl. Die Obfrau der SPD sprach ihren CDU-Kollegen Clemens Binninger direkt an. „Lieber Clemens, dir gilt ein besonderer Dank, weil du gegen besonders viele Widerstände angehen musstest.“ Oder auch wegen Petra Pau. Die Obfrau der Linken hielt eine Rede, bei der es besonders ruhig im gut besetzten Plenum wurde, weil sie vom Treffen mit einem Geschäftsmann berichtete, vor dessen Geschäft der NSU 2004 in Köln eine Nagelbombe zündete. Doch noch im Herbst 2011, kurz vor dem Auffliegen des NSU, sei er von der Polizei bedrängt worden, zu erklären, was er mit der Tat zu tun habe. Selbst als Pau die vom Abschlussbericht abweichenden Linken-Positionen zum Verfassungsschutz oder zum „institutionellen Rassismus“, den sie bei den Behörden sieht, vortrug, gab es keine Kritik aus dem Regierungslager.
Es ist diese Einigkeit, die den Ausschuss während seiner gut anderthalbjährigen Arbeit auszeichnete. Es war kein Kampfinstrument der Opposition, sondern „der Aufklärung“, wie Högl sagte. Nicht alle Fragen konnten geklärt werden, weshalb die FDP dafür plädiert, den Ausschuss in den nächsten Legislaturperiode neu einzusetzen, aber er förderte auf jeden Fall viele Ermittlungspannen zutage.
Bundespräsident Joachim Gauck und Angehörige von NSU-Opfern nahmen auf der Besuchertribüne Platz. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) entschuldigte sich im Namen des Bundestages für die Pannen und die Tatsache, dass einige Angehörige selbst ins Visier der Ermittlungen geraten waren. „Das erfüllt uns mit Fassungslosigkeit und Scham“, sagte Lammert. Er kritisierte, dass die Debatte nicht im Hauptprogramm der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender übertragen wurde. „Das ist keine Nebensache.“
Der Ausschuss-Vorsitzende, Sebastian Edathy (SPD), sprach von einem „massiven“ Behördenversagen und mahnte: „Der gewaltbereite Rechtsextremismus darf nie wieder so unterschätzt und bagatellisiert werden wie in der Vergangenheit.“ Binninger argumentierte ähnlich, sagte aber auch, dass die NSU-Terrorserie mehr als eine Niederlage für die Sicherheitsbehörden sei. „Das ist eine Niederlage für unsere gesamte Gesellschaft.“
In ihrem Abschlussbericht haben sich die Ausschussmitglieder auf 47 gemeinsame Forderungen verständigt. Dazu zählen eine bessere Zusammenarbeit, mehr interkulturelle Kompetenz und eine bessere parlamentarische Kontrolle der Sicherheitsbehörden. Christian Tretbar