Haushalt 2019: Bundestag debattiert erstmals 100 Prozent Olaf Scholz
Der Bundestag beschließt in dieser Woche den neuen Etat. Wie solide ist der Haushalt 2019? Und was kritisiert die Opposition? Ein Überblick.
Wenn Olaf Scholz an diesem Dienstag kurz nach 10 Uhr ans Rednerpult im Bundestag tritt, dann ist das eine Premiere für den Bundesfinanzminister. Scholz wird die Debatte über den ersten Bundesetat eröffnen, der allein seine Handschrift trägt. Denn den Haushalt für 2018, im Frühsommer verabschiedet, hatte noch sein Vorgänger Wolfgang Schäuble auf den Weg gebracht. Das Zahlenwerk für 2019 ist nun purer Scholz. Vielleicht ist es auch sein letztes, wenn das Geraune über ein frühes Ende der Koalition mehr ist als ein Berliner Politikblasenphänomen. Aber dann wäre Angela Merkels Rede in der Generalaussprache am Mittwoch um 9 Uhr auch ihre möglicherweise letzte als Kanzlerin in einer Haushaltsdebatte. Ein Grund mehr, warum der parlamentarische Höhepunkt des Jahres besonders sehens- und hörenswert sein könnte.
Aber auch das Objekt der Debatte könnte ein besonderes sein: der vorerst letzte Etat nämlich, bei dem eine Bundesregierung noch richtig aus dem Vollen schöpfen kann. Schäuble lebte als „Wolfgang im Glück“ viele Jahre ein politisch angenehmes Leben im Ministerium in der Wilhelmstraße, mit einer Serie von Überschüssen dank starkem Wachstum. Das lässt gerade nach, und der Rücksetzer im dritten Quartal – erstmals seit 2015 schrumpfte die Wirtschaftsleistung wieder ein wenig – könnte ein Vorbote gewesen sein, dass Rezessionen zum Wirtschaftsleben gehören. Und damit auch weniger einfache Jahre für Finanzminister.
"Olaf der Glücklose"?
Doch dürfte Scholz, wenn er länger im Amt bleiben sollte, nicht als „Olaf der Glücklose“ in die Geschichte eingehen. Denn für deutlich schlechtere Zeiten hatte schon Schäuble und hat nun auch er etwas in der Hinterhand. Deutschland hat, ohne massiv sparen zu müssen, den Schuldenstand deutlich verringert. Er fällt mit dem neuen Etat unter die im Euro-Stabilitätspakt festgelegte Obergrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Und soll nach der Finanzplanung 2022 bei 52 Prozent liegen. Das ist weit entfernt von den aktuellen Schuldenständen der USA, Italiens, Großbritanniens oder Frankreichs, die alle nahe an hundert Prozent oder deutlich darüber liegen. Trotz der Schuldenbremse im Grundgesetz schafft das Verschuldungsspielraum für Krisen. Da die Zinsen im Euroraum in den kommenden Jahren kaum deutlich steigen werden, jedenfalls nicht vor 2021 – und danach könnte eine nachlassende Konjunktur ohnehin zinsdämpfend wirken –, droht auch von dieser Seite wenig haushaltspolitische Gefahr.
Schwarze Null bleibt das Ziel
Auch Scholz hält 2019 die „schwarze Null“. Doch hat er den Ausgleich des Haushalts nicht mehr allein durch Einnahmen hinbekommen. Zwischen Entwurf im Sommer und Endfassung im November lag eine Steuerschätzung, die schon auf geringeren Wachstumserwartungen beruhte. Die schwarz-rote Ausgabenplanung aber hat man deswegen kaum beschnitten – sie sank nur um 400 Millionen Euro auf nunmehr 356,4 Milliarden Euro. Ohne neue Schulden kommt Scholz aus, weil es Rücklagen gibt und Spielräume bei den Zinszahlungen. Ein Fonds zur Energie- und Klimaförderung, der zu wenig genutzt wird, diente ebenso zum Ausgleich wie die üppige Flüchtlingsrücklage, in der aktuell 24 Milliarden Euro liegen. Zuletzt wurden davon zusätzlich 450 Millionen umgeschichtet. Da für 2018 nochmals ein Überschuss zu erwarten ist, wächst diese Rücklage noch. Ende September lag der Bund bei den Einnahmen mit sechs Milliarden Euro über Plan. Ein Teil wird wohl demnächst an Länder und Kommunen abwandern, welche höhere Flüchtlingskosten geltend machen. Aber die Asylrücklage dürfte noch einige Jahre als Puffer dienen.
Altmaier will frühere Soli-Senkung
Es sei denn, es kommt bald zu unerwarteten Einnahmeverlusten. Dass die Union das Ende des Solidaritätszuschlags gern früher als 2021 feiern würde (und ihn auch komplett abschaffen möchte) ist bekannt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier würde gern die Unternehmensbesteuerung lockern, was bisher am Koalitionsvertrag scheitert. Scholz selbst ersinnt derweil neue Einnahmequellen. Zum Beispiel, indem er ein seit Jahrzehnten praktiziertes Katz-Maus-Spiel umdrehen möchte. Anwaltskanzleien und Steuerberater sollen künftig gezwungen werden, die von ihnen erdachten Steuersparmodelle anzuzeigen – was in vielen Fällen natürlich darauf hinausläuft, dass das von Unternehmen und Reichen genutzte Steuerschlupfloch schnellstens geschlossen wird und nicht zu Verlusten beim Staat führt. Wie etwa bei den Tricks zum Dividendenstripping, die jahrelang zu Milliardenverlusten führten.
Der Bundesrechnungshof warnte kürzlich, die aktuell günstigen Rahmenbedingungen erzeugten eine „Scheinsicherheit“. Das wird die Redner der Koalition nicht hindern, sich selber gute Arbeit zu attestieren. Dass im parlamentarischen Verfahren zuletzt noch fast tausend Stellen allein in den Bundesministerien neu geschaffen wurden, teils ohne echte Begründung, lasen die Oppositionsfraktionen freilich schon als Versorgungspolitik einer zerfallenden Koalition. Was Grünen, Linken, FDP und AfD an der Haushaltspolitik der Koalition vor allem missfällt, wo sie das größte Manko und die größte Leerstelle sehen, steht auf der folgenden Seite:
Was kritisieren die Grünen?
Sven-Christian Kindler, Haushaltspolitiker der Grünen, beklagt seit Jahren, dass zu wenig gemacht werde für Klimaschutz, Energiewende und ökologische Landwirtschaft. Vorschläge im Umfang von sechs Milliarden Euro machte seine Partei in den Beratungen – umsonst.
Was ist das größte Manko im Etat 2019?
„Die Regierung setzt die falschen Prioritäten. Besonders deutlich wird das beim gigantischen Aufwuchs im Verteidigungsministerium. Union und SPD blähen den Rüstungsetat noch weiter auf. Kein anderer Etat steigt prozentual so stark wie der Bundeswehretat. Das ist eine verheerende Entscheidung und wird diese Welt unsicherer machen. Ursula von der Leyen fällt immer wieder mit krasser Verschwendung für private Berater und bei Rüstungsdesastern auf. Ihr weiteres Geld zu geben, grenzt an mutwillige Veruntreuung.“
Wo ist die größte Leerstelle?
„Mit ihrer Ignoranz gegenüber der Klimakatastrophe gefährdet die Koalition unsere Lebensgrundlagen. Für die Klimarettung gibt es ein paar Millionen im Haushalt, für die Zerstörung des Klimas gibt es zig Milliarden. Die Bundesregierung verschwendet weiter über 50 Milliarden an klimaschädlichen Subventionen, für den schmutzigen Diesel, für Flugkonzerne, für die Autolobby. Diese Subventionen müssen konsequent angebaut werden und in öffentlichen Nahverkehr, ökologische Landwirtschaft und energetisch sanierte Häuser investiert werden.“
Was kritisieren die Linken?
Wenn es um den Haushalt geht, spricht die Berliner Abgeordnete Gesine Lötzsch seit Jahren für die Linken. Das Festhalten an der „schwarzen Null“ hält sie für einen Fehler.
Was ist das größte Manko im Etat 2019?
„Der SPD-Finanzminister will 2019 etwa 1,9 Milliarden Euro weniger für zivile Investitionen ausgeben als in diesem Jahr und danach die Investitionen einfrieren. Das ist rücksichtslos gegenüber den nachfolgenden Generationen. Der Deutsche Städtetag hat berechnet, dass allein in den Kommunen ein Investitionsstau von 126 Milliarden Euro herrscht. Das heißt: Es müssen dringend Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Straßen und Brücken saniert oder neu gebaut werden. Leider kann man baufällige Brücken nicht einfrieren.“
Wo ist die größte Leerstelle?
„In der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses wurden noch einmal 323 Millionen Euro für militärische Beschaffung beschlossen. Hinzu kommen noch Zusagen von 5,66 Milliarden Euro für die nächsten Jahre. Dafür wird es kein Geld für Ganztagsschulen geben. Dafür waren über zwei Milliarden Euro im Haushaltsplan für 2019 eingestellt, die jetzt gestrichen wurden. Für das Geld kann die Bundeswehr jetzt unter anderem ein Mehrzweckkampfschiff für 147 Millionen Euro kaufen. Kriegsschiffe statt Schulen – ist das die neue Handschrift des Finanzministers?“
Was kritisiert die FDP?
Otto Fricke gehört zu den erfahrenen FDP-Abgeordneten. Vor allem, wenn es um die Haushaltspolitik geht, in der er die Stimme der Freien Demokraten ist. Hier waren Fricke und die Seinen zuletzt die Fleißigsten: Die FDP-Fraktion stellte im parlamentarischen Beratungsverfahren zum Etat 2019 die meisten Anträge. Frickes „Hobby“ ist die Kritik an den vielen Sondertöpfen, die den Haushalt seiner Meinung nach unübersichtlich machen.
Was ist das größte Manko im Etat 2019?
„Der Bundeshaushalt für 2019 leidet darunter, dass Union und SPD insbesondere im Sozialbereich zusätzliche Ausgaben auf den Weg gebracht haben, die strukturell belastend auf den Haushalt wirken werden. Bundesfinanzminister Olaf Scholz kann die schwarze Null schon jetzt nur noch trickreich, durch einen Rückgriff auf den Schattenhaushalt der Asyl- und Flüchtlingsrücklage in Höhe von knapp 5,5 Milliarden Euro halten.“
Wo ist die größte Leerstelle?
„Die schwarz-rote Koalition plant auch weiterhin keine Privatisierung von Unternehmensanteilen, um mit den Erlösen dringend benötigte Zukunftsinvestitionen, etwa in Bildung, Forschung und digitale Infrastruktur, zu tätigen. Trotz der dauerhaft guten Konjunktur werden keine alten Schulden getilgt und es wird keine einzige bestehende Subvention gekürzt oder abgeschafft.“
Was kritisiert die AfD?
Der AfD-Politiker Peter Boehringer ist Vorsitzender des Haushaltsausschusses – ein Privileg der größten Oppositionsfraktion. Er sieht Gefahren von außerhalb.
Was ist das größte Manko im Etat 2019?
„Die Unvollständigkeit der Buchungen: Für die täglich um fast eine Milliarde anwachsenden Euro-Rettungsrisiken durch deutsche Garantien über EZB, Bundesbank, ESM und ein Dutzend weitere Rettungsvehikel sind so gut wie keine Rückstellungen oder Ausgaben im Haushalt eingestellt. Nicht einmal in der Finanzplanung, obwohl etwa Italien und Griechenland am Rand des Staatsbankrotts stehen, sodass aus Garantien jederzeit milliardenschwere Zahlungen werden können.“
Wo ist die größte Leerstelle?
„Hinzu kommen die intransparent und zu gering verbuchten Migrations- und Integrationskosten sowie die illegitim den Haushalt verkürzenden direkten EU-Zahlungen, die zwar im Planungszeitraum um 50 Prozent auf jährlich 45 Milliarden Euro wachsen sollen – die aber wegen ihrer Verbuchung als ‚negative Einnahmen‘ der Öffentlichkeit gegenüber nicht transparent ausgewiesen werden. Es bleibt ein Skandal, dass Überschüsse zugunsten der ,Asylrücklage‘ abgeschöpft werden. 2018 werden so voraussichtlich mehr als 10 Milliarden Euro den Steuerbürgern vorenthalten, die etwa für den überfälligen sofortigen Abbau des Solidaritätszuschlags hätten verwendet werden können.“
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