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Hunderttausende Syrer sind vor dem Krieg aus ihrem Land geflohen. Deutschland will insgesamt 5000 Menschen aufnehmen. Am liebsten die Elite.
© Reuters
Exklusiv

Syrische Bürgerkriegsopfer: Bundesregierung will Flüchtlings-Elite aus Syrien

5000 Bürgerkriegsopfer aus Syrien sollen nach Deutschland kommen. Die Bundesrepublik möchte aber möglichst christliche, gesunde und gut ausgebildete Syrer aufnehmen.

Die Bundesregierung plant offenbar die Opposition in Syrien deutlich stärker zu unterstützen als bisher bekannt – und denkt dabei bereits an die Zeit nach Machthaber Baschar al Assad. Das geht aus einer internen Mitteilung an deutsche Auslandsvertretungen und das UN- Flüchtlingshilfswerk hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt. Demnach sollen rund 1600 syrische Flüchtlinge in Deutschland aufgenommen werden, die einen „besonderen Beitrag für den Wiederaufbau des Landes nach dem Konflikt“ leisten können. Dazu sollen neben Akademikern, Kulturschaffenden und Journalisten auch „politische Aktivisten“ gehören, wie ein Sprecher des Innenministeriums bestätigte.

Die Flüchtlinge sollen zum Kontingent von insgesamt 5000 Syrern gehören, die Deutschland aufnehmen will. Derzeit gibt es in den Anrainerstaaten Syriens rund 1,6 Millionen registrierte Flüchtlinge. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte im März angekündigt, das Kriterium für eine Aufnahme sei die „besondere Schutzbedürftigkeit“ der Antragsteller.

Nun soll nur etwa ein Drittel der Flüchtlinge nach „humanitären Kriterien“ ausgewählt werden, wie es aus dem Innenministerium hieß, darunter 150 Schwerstverletzte. Bisher werden in deutschen Bundeswehrkrankenhäusern 36 syrische Bürgerkriegsopfer behandelt. Chancen auf eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis sollen außerdem „besonders schutzbedürftige“ Kinder mit ihren Eltern, „Frauen in prekären Lebenssituationen“ sowie Syrer mit Deutschkenntnissen oder hier lebenden Familienangehörigen haben.

Auch die Religion wird womöglich bei der Auswahl eine Rolle spielen. Davon könnten vor allem syrische Christen profitieren. Denn auf sie treffen alle drei Unterkategorien des Kriterienkatalogs zu. Neben humanitären Kriterien sind das laut Ministerium ein Bezug zu Deutschland und ein möglicher Beitrag der Flüchtlinge zum Wiederaufbau.

Aus humanitären Gründen wäre die Aufnahme von Christen denkbar, weil auf ihnen ein „besonderer Verfolgungsdruck“ laste, wie es Friedrich im März formuliert hatte. Fast 90 Prozent der Syrer sind Muslime, 8,5 Prozent der Bevölkerung Christen. Aufgrund ihrer Religion haben sie außerdem bessere Kontakte zu Institutionen im christlich geprägten Deutschland und können so einen Bezug zur Bundesrepublik einfacher nachweisen. Außerdem haben sie laut einer Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages durchschnittlich einen höheren Bildungsgrad als Muslime in Syrien – und gelten daher als wichtig für den Wiederaufbau Syriens nach dem Ende des Konflikts. Die Chance, zumindest in einem der drei etwa gleichgroßen Kontingente aufgenommen zu werden, steigt damit.

Nun muss das UN-Flüchtlingshilfswerk im Libanon anhand dieser Kriterien eine Vorauswahl treffen und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorlegen, das dann die endgültige Entscheidung trifft. Dabei werden ausschließlich Flüchtlinge berücksichtigt, die sich bis zum 31. März im Libanon registriert haben, derzeit 509 000. Die fast eine Million weiterer Flüchtlinge in Jordanien, der Türkei und im Irak, oder Flüchtlinge, die sich später registriert haben, sollen nicht berücksichtigt werden.

Die 5000 Menschen, die ausgewählt werden, bekommen eine Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre. Untergebracht werden sie 14 Tage lang in den Grenzdurchgangslagern Friedland oder Bramsche in Niedersachsen. Von dort aus werden sie auf die Bundesländer verteilt. Die Flüchtlinge sollen möglichst „selbstständig in die Bundesrepublik einreisen“, heißt es in der Anweisung des Innenministeriums.

Sidney Gennies

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