Nach Urteil im Tiergarten-Mordprozess: Bundesregierung weist zwei russische Diplomaten aus
Das Berliner Kammergericht hat den Tiergarten-Mörder zu lebenslanger Haft verurteilt. Zudem wurden zwei russische Diplomaten zu unerwünschten Personen erklärt.
Als Konsequenz aus dem Berliner Mordurteil gegen einen Russen erklärt die Bundesregierung zwei Mitarbeiter der russischen Botschaft in Deutschland zu „unerwünschten Personen“. Das sei dem russischen Botschafter Sergej Netschajew am Mittwoch bei einem Gespräch im Auswärtigen Amt erklärt worden, sagte Außenministerin Annalena Baerbock in Berlin. Ein solcher Schritt kommt einer Ausweisung der Diplomaten gleich.
Mehr als zwei Jahre nach den tödlichen Schüssen auf einen Georgier tschetschenischer Abstammung mitten in Berlin war ein 56-jähriger Russe am Mittwoch zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Berliner Kammergericht sprach den Mann des Mordes und des illegalen Waffenbesitzes schuldig.
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Die Staatsschutzkammer sieht es als erwiesen an, dass der Angeklagte im Auftrag des russischen Staates gehandelt hat. „Die Tat war durch in Berlin stationierte Helfer akribisch vorbereitet“, sagte der Vorsitzende Richter Olas Arnoldi bei der Urteilsbegründung. Das Gericht folgte damit der Argumentation der Bundesanwaltschaft.
Das Urteil im sogenannten Tiergartenmord-Prozess wird die deutsch-russischen Beziehungen kurz nach dem Amtsantritt der neuen Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) erschüttern. So kritisierte der russische Botschafter in Deutschland, Sergej Netschajew, den Richterspruch sofort als politisch motiviert. „Wir halten dieses Urteil für eine voreingenommene und politisch motivierte Entscheidung, welche die ohnehin schwierigen deutsch-russischen Beziehungen erheblich belastet“, hieß es in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung des Botschafters.
Erste Konsequenzen aus dem Fall hatte die Bundesregierung schon gezogen, nachdem der Generalbundesanwalt vor zwei Jahren die Ermittlungen aufgenommen hatte und der russischen Regierung mangelnde Kooperation vorwarf.
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Nach Überzeugung des Gerichts hat sich der 56-Jährige am 23. August 2019 auf einem Fahrrad in der Berliner Parkanlage Kleiner Tiergarten von hinten dem Georgier genähert. Aus nächster Nähe habe er auf den 40-Jährigen zunächst zwei Schüsse mit einer Schalldämpfer-Pistole abgegeben
Als das Opfer am Boden lag, schoss er ihm demnach in den Hinterkopf. Der Mann, der seit Ende 2016 als Asylbewerber in Deutschland lebte und von den russischen Behörden als Terrorist eingestuft worden war, starb am Tatort.
Putin nannte das Opfer „Bandit und Mörder“
Der Beschuldigte war kurz nach der Tat festgenommen worden. Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft handelt es sich bei dem Angeklagten um einen Offizier des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, dem weitere Auftragsmorde im Ausland zugeordnet werden. Für die Tat in Berlin soll er eine Scheinidentität bekommen haben.
Der Getötete sei insbesondere deshalb als Staatsfeind betrachtet worden, weil er im Tschetschenien-Krieg gegen Russland gekämpft hatte. Der russischen Präsident Wladimir Putin hatte den ermordeten Georgier, der in der russischen Teilrepublik Tschetschenien auf Seiten der Separatisten gekämpft haben soll, einen „Banditen“ und „Mörder“ genannt.
Der kräftige, dunkelhaarige Beschuldigte selbst hatte zu Beginn des Prozesses über seine Anwälte erklären lassen, er heiße Vadim S., sei 50 Jahre alt und Bauingenieur. Verbindungen zum russischen Staat und dem Geheimdienst FSB bestritt er. (dpa, AFP)