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Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele gehört neben seinen Fraktionskolleginnen Claudia Roth und Katja Keul zu den Klägern in Karlsruhe.
© dpa

Waffenexporte sollen transparenter werden: Bundesregierung verspricht Besserung

Die Grünen verlangen von der Bundesregierung mehr Transparenz bei Waffenexporten. Deshalb sind sie nach Karlsruhe gegangen. Wie stehen ihre Chancen?

Es war vor drei Jahren. Hans-Christian Ströbele staunte. 200 Leopard-Panzer sollten nach Saudi-Arabien geliefert werden? „Wir konnten das erst nicht glauben“, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete am Dienstag vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Saudis hätten damals mit ihrem militärischen Auftritt gerade die Demokratiebewegung in Bahrein zerrieben, nun sollten sie an frische deutsche Waffen kommen? Ströbele fragte die Regierung, ob wirklich eine solche Entscheidung gefallen war.

Eine einfache Frage. Aber es kam keine Antwort. „Sie wissen doch, wir sagen nichts dazu“, hieß es. Rüstungsexporte sind Regierungssache. Geheimschutz. Es gibt den jährlichen Exportbericht, das muss als Information genügen.

Ströbele genügte es nicht, er zog mit weiteren Grünen nach Karlsruhe, durchaus mit pazifistischen Motiven. Es müsse klargestellt werden, dass in solchen sensiblen Angelegenheiten der Bundestag zu informieren sei. Man müsse darüber diskutieren können. Deutsche Waffenexporte seien, verfassungsrechtlich betrachtet, ein „Ausnahmefall“. Er platziert ein Zitat von Immanuel Kant: In einer Republik werde es keine Kriege mehr geben, weil in einer Republik alle alles wüssten.

Thomas de Maizière hat nicht Kant im Gepäck, nur Konrad Adenauer. Der Innenminister war als Vertreter der Bundesregierung und als langjähriges Mitglied im Bundessicherheitsrat, dem Kabinettsausschuss, der über die Exportanträge befindet, nach Karlsruhe gekommen. Wie man lebt, entscheide die Innenpolitik, zitiert er den ersten Kanzler der Bundesrepublik. Doch ob man lebt, entscheide die Außenpolitik. Um sie gehe es letztlich, die Rücksicht auf internationale Verflechtung. Daher seien Exportgenehmigungen „eine originäre Angelegenheit der Exekutive“.

Künftig soll unverzüglich nach der Exportgenehmigung das Parlament informiert werden

Damit das nicht allzu majestätisch klingt, verkündet de Maizière zugleich Neues zur Transparenzoffensive auf diesem Terrain: Künftig soll bereits unverzüglich nach der Exportgenehmigung das Parlament informiert werden, es gelte eine Frist von bis zu 14 Tagen. Er legt Wert darauf, dass dies sein eigener Vorschlag war. „Politisch klug, aber verfassungsrechtlich nicht zwingend.“ Denn im Prinzip handele es sich um den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung, der auch nach Karlsruher Rechtsprechung vor der Ausforschung durch andere geschützt gehöre.

Die Frage ist nur, bis zu welchem Zeitpunkt. Und was wirklich alles von diesem Kern umfasst sein soll. Das ist eine Frage, die notwendig die betroffenen Konzerne ins Spiel bringt. Denn auch ihre Geschäftsgeheimnisse sind zu schützen. Aber auch ihre Wettbewerbsinteressen?

Ströbele: "Wir sind nicht die Vertriebschefs der Rüstungsindustrie"

Zwei Industrievertreter hatte das Gericht als Sachverständige geladen: Christoph Atzpodien vom Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. (BDSV) und Frank Haun, Geschäftsführer des Rüstungsunternehmens Krauss-Maffei Wegmann. Es wird rasch klar, wie wichtig ihnen die Sache ist. Kein Kunde möchte von seinen Bestellungen in der Zeitung lesen. Je weniger Öffentlichkeit, desto besser. Da die heimische Nachfrage praktisch versiegt sei, stammten weit mehr als die Hälfte der knapp 23 Umsatzmilliarden aus dem Export. Sie sprechen von Compliance und Customization, der Lieferung von Maßprodukten. Von deutschen Haubitzen und Einladungen in die Katakomben des Pentagon, weil Deutschland als einer der größten Weltkriegswaffenlieferanten Exportmaßstäbe setzt. Und von Frankreich mit seinen Rüstungs-Staatskonzernen, wo der Präsident persönlich in konkurrenzlos geheimer Manier die Vorfragen klärt.

Zu diesen Vorfragen gehört in Deutschland auch ein günstiges Signal aus dem Bundessicherheitsrat auf eine Lieferanfrage der Industrie. Schon hier scheinen Regeln der Diplomatie zu greifen: Ist die Genehmigung vorstellbar, wird sie vornehm per Brief in Aussicht gestellt. Ist sie es nicht, wird höflich geschwiegen, auf dass niemand Schaden nehme. Der Konzern nicht, dem offenbar das richtige Gespür fehlte, etwa für die Lage des Menschenrechte im Staat des Vertragspartners. Und der betroffene Staat nicht, der durch das Nein ein amtliches Schurkensiegel erhielte.

Ströbele und seine Grünen möchten trotzdem mehr Transparenz, und sie werden sie bekommen. Minister de Maizière selbst räumt ein, dass der Geheimschutz der Exekutive nur bis zur endgültigen Genehmigung reicht. „Wir sind nicht die Vetriebschefs der Rüstungsindustrie“, sagt er. Mit der Genehmigung sei die politische Willensbildung abgeschlossen, „dann soll diskutiert werden dürfen“.

Wer nichts sagt, sagt wenigstens nichts Falsches

Im Prinzip das, was Ströbele will. Schließlich ging es ihm darum, zu erfahren, ob die Regierung bei dem Panzerdeal überhaupt irgendetwas entschieden hatte. Deren Prozessvertreter Stefan Korioth macht dennoch feine Unterschiede. Wenn eine Genehmigung vorgelegen hätte, so hätte die Bundesregierung dies auch nach damaliger Rechtslage mitteilen müssen. Da es diese aber in dem Fall nicht gegeben habe, habe man die Auskunft verweigern dürfen. Wieder das diplomatische Prinzip: Wer nichts sagt, sagt wenigstens nichts Falsches.

Ob die Richter der Regierung eine solche Antwortpraxis durchgehen lassen, erscheint nach der Verhandlung eher unwahrscheinlich. Bevor aber wieder mal aus Karlsruhe eine Korrektur angemahnt wird, dürfte die Politik sich selbst korrigiert haben. Noch vor der Sommerpause sollen die neuen Transparenzregeln gelten, mit denen sich der Streit vor Gericht de facto erledigt haben wird. Was dann bleibt, ist die Einsicht, dass Parlamentarier einen stabilen und belastbaren Auskunftsanspruch haben, um die Regierung zu kontrollieren. Kein geringer Wert in Zeiten einer kleinen Opposition.

Jost Müller-Neuhof

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