CSU-Warnung vor "Armutszuwanderung": Bundesregierung sieht keine Gefahr für den Arbeitsmarkt
Zum 1. Januar 2014 wird der deutsche Arbeitsmarkt auch für Rumänen und Bulgaren vollständig geöffnet. Es spricht nur wenig dafür, dass die erweiterte Freizügigkeit in der EU eine Zuwanderungswelle auslöst.
Trotz der Warnungen der CSU sieht die Bundesregierung im Moment keinen Anlass für schärfere Regeln gegen Missbrauch von Sozialleistungen. Zunächst sollten die Erfahrungen mit der vollständigen Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für Rumänen und Bulgaren zum 1. Januar 2014 abgewartet werden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Er betonte, die Freizügigkeit gehöre zu den „zentralen europäischen Errungenschaften“. Eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums empfahl zudem einen „nüchternen Blick auf die Zahlen“. Es sei nicht damit zu rechnen, dass es mit der Herstellung der vollständigen Arbeitnehmerfreizügigkeit „erhebliche Auswirkungen“ auf den deutschen Arbeitsmarkt geben werde.
„Wer betrügt, der fliegt“, heißt es in einem Papier, das die CSU-Landesgruppe bei ihrer Jahresauftaktklausur in Wildbad Kreuth beschließen will. Darin warnt sie vor dem „Missbrauch der europäischen Freizügigkeit durch Armutszuwanderung“. Konkret fordert die CSU unter anderem, ausländische Betrüger bei Sozialleistungen nicht nur auszuweisen, sondern auch ihre Wiedereinreise zu verhindern.
EU-Beitritt hatte eher positive Auswirkungen
Für die rund 28 Millionen Rumänen und Bulgaren fallen zum Jahreswechsel die bisherigen Beschränkungen für den deutschen Arbeitsmarkt. Die Debatten im Vorfeld ähneln stark denen, die bereits vor zwei Jahren geführt wurden. Damals erhielten mehr als 70 Millionen Menschen aus den EU-Beitrittsländern in Ost- und Mitteleuropa Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Zu einer massiven Zuwanderung kam es damals nicht. Und die Auswirkungen auf den deutschen Sozialstaat waren sogar positiv, wie der Migrationsforscher Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) festgestellt hat (siehe Interview).
In aktuellen Prognosen rechnet das IAB damit, dass die Zuwanderung nach Deutschland aus Rumänien und Bulgarien deutlich steigen wird: Während 2013 unter dem Strich 70 000 Personen kamen, sei 2014 mit 100 000 bis 180 000 Personen zu rechnen. Wie viele Bulgaren und Rumänen 2014 tatsächlich kommen werden, hängt ohnehin vor allem von der wirtschaftlichen Entwicklung in Südeuropa ab. Bisher waren Spanien und Italien die wichtigsten Einwanderungsländer für Bulgaren und Rumänen, mehr als zwei Millionen Menschen aus diesen Ländern leben schon da. Doch wenn die wirtschaftliche Lage schlecht bleibt, entscheiden sich mehr Zuwanderer für Deutschland. Während vor der Wirtschafts- und Finanzkrise Länder wie Großbritannien, Irland, Spanien und Italien zu den wichtigsten Einwanderungsländern in Europa gehörten, wird inzwischen Deutschland attraktiver. Nach Berechnungen des IAB sind etwa 70 Prozent des Anstiegs der Zuwanderung in Deutschland seit 2007 auf diesen „Umlenkungseffekt“ zurückzuführen.
Arbeitslosenquote von Bulgaren und Rumänen niedriger als im Bevölkerungsschnitt
Die bisherige Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien pauschal als „Armutszuwanderung“ zu qualifizieren, halten die IAB-Forscher für falsch. So sei deren Arbeitslosenquote mit 7,4 Prozent zur Jahresmitte sogar etwas geringer als im Bevölkerungsschnitt gewesen und weiter unter dem Niveau der Ausländer insgesamt (knapp 15 Prozent). Rund zehn Prozent der Bulgaren und Rumänen in Deutschland bezogen zu dem Zeitpunkt Leistungen aus Hartz IV, etwas mehr als die Gesamtbevölkerung, aber ebenfalls weniger als im Schnitt der ausländischen Bevölkerung (gut 16 Prozent).
"Entwicklung deutet auf weiterhin gute Beschäftigungsaussichten auf dem deutschen Arbeitsmarkt hin“
Auf ähnliche Zahlen verweist das Bundesarbeitsministerium in der Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion. So sei die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Bulgaren und Rumänen zwischen 2010 und 2012 stärker gestiegen als die Zahl der Zuwanderer aus beiden Ländern zusammen. „Diese Entwicklung deutet auf weiterhin gute Beschäftigungsaussichten auf dem deutschen Arbeitsmarkt hin“, heißt es in dem Schreiben. Zugleich verweist das Arbeitsministerium darauf, dass ein Teil der Zuziehenden in den besonders betroffenen Kommunen „zu einer Verschärfung sozialer Problemlagen“ beitrage und die Systeme der kommunalen Daseinsvorsorge belaste – etwa bei der medizinischen Notfallversorgung und der Wohnraumversorgung.
Zu den betroffenen strukturschwachen Kommunen zählt das Nürnberger IAB Städte wie Berlin, Duisburg und Dortmund. So sei Ende 2012 der Anteil der Hartz-IV-Empfänger unter den Rumänen und Bulgaren in Berlin mit knapp 20 Prozent besonders hoch gewesen. Auch die Arbeitslosenquote fiel in Berlin mit gut 25 Prozent überdurchschnittlich aus.