IS-Terror im Irak: Bundesregierung schließt Waffenlieferung nicht aus
Die Bundesregierung will nach den Worten der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Gegner der Terrormiliz IS im Irak nun doch mit Rüstungsgütern beliefern, die nicht tödlich sind. SPD-Chef Sigmar Gabriel schließt für die Zukunft sogar Waffenlieferungen nicht aus.
Nach anfänglichem Zögern will die Bundesregierung die Gegner der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Nordirak nun offenbar doch mit Rüstungsgütern unterstützen. Allerdings geht es dabei „ausschließlich um nicht-lethale Ausrüstungsgegenstände" wie Schutzfahrzeuge, Nachtsichtgeräte oder Sprengfallendetektoren, wie Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Dienstag erklärte. Sie sollen aus Bundeswehrbeständen kommen und unter Beteiligung der deutschen Luftwaffe so schnell wie möglich an die irakischen Armee geliefert werden. Auch Waffenlieferungen schließt die Bundesregierung nicht mehr kategorisch aus, wie Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) deutlich machte.
Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) will im Kampf gegen die Vernichtung von Minderheiten im Nordirak neue Wege einschlagen. „Ich bin angesichts der dramatischen Lage dafür, bis an die Grenzen des politisch und rechtlich Machbaren zu gehen", sagte Steinmeier der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Bisher hatte die Bundesregierung lediglich humanitäre Hilfe für den Irak zugesagt. US-Regierungsvertretern zufolge haben inzwischen die USA mit direkten Waffenlieferungen an die kurdischen Peschmerga-Kämpfer begonnen.
Gabriel warnte vor der Auslöschung der Jesiden durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). „Das ist die Vorbereitung eines Völkermords, eines Genozids. Um nicht anderes geht es dort“, sagte der SPD-Chef nach einem Gespräch mit Vertretern der jesidischen Gemeinschaft in Deutschland. Die Glaubens- und Kulturgemeinschaft der Jesiden im Irak solle „ausgerottet werden, und das mit einer wirklich brutalen Präzision“. Gabriel stellte sich hinter die Forderung der Jesiden, Schutzzonen für die bedrohte Minderheit im Nordirak einzurichten. Die Schaffung solcher Zonen sei „zuallererst Aufgabe der irakischen Armee“.
Auch die UN-Sonderberichterstatterin für Minderheiten, Rita Izsak, sprach von einem drohenden Genozid. Es müsse „dringend alles getan werden, um massenweise Gräueltaten und möglicherweise gar einen Völkermord“ an Angehörigen der religiösen Minderheit zu verhindern, forderte Izsak in Genf. Tausende von Jesiden seien „der unmittelbaren Gefahr von Massakern“ ausgesetzt.
Der Völkermord sei seit dem 2. August „in vollem Gange“, sagte der Sprecher der jesidischen Gemeinde in Deutschland, Irfan Ortac, nach dem Gespräch mit Gabriel. „Seit Sonntagmorgen schreien wir in die Welt und bitten die Welt, diese Menschen zu retten“, sagte Ortac mit Bezug auf die von den Terrormilizen verfolgten Angehörigen seiner Minderheit.
Linke streitet über Waffenlieferungen
Linksfraktionschef Gregor Gysi stieß mit seinem Ja zu Waffenlieferungen in den Irak derweil auf Widerstand in den eigenen Reihen. Seine beiden Stellvertreter Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch stellten sich am Dienstag gegen ihn. „Waffenlieferungen in Spannungsgebiete unverantwortlich“, twitterte Wagenknecht. Die Position der Linken bleibe: Rüstungsexporte seien Geschäfte mit dem Tod und gehörten verboten. Ähnlich äußerte sich Bartsch in der „Mitteldeutschen Zeitung“: „Ich finde, dass in der Region schon genug Waffen sind. Deutschland sollte beim Waffenexport entschlossen auf die Bremse treten.“ Gysi hatte sich am Montag im rbb-Sender radioeins überraschend für deutsche Waffenlieferungen an die irakische Armee und kurdische Kräfte ausgesprochen, um den IS-Vormarsch zu stoppen.
CNN filmt dramatische Rettungsaktion
Unterdessen veröffentlichte der US-Fernsehsender CNN Aufnahmen einer dramatischen Aktion zur Rettung von Jesiden, die im Sindschar-Gebirge im Norden des Irak eingeschlossen sind. Ein CNN-Team hatte am Montag einen Helikopter-Flug der irakischen Luftwaffe zur Versorgung der eingeschlossenen Jesiden mit Hilfsgütern wie Milch, Wasser, Lebensmitteln und Windeln begleitet. Nach Angaben des Senders geriet die Hilfsmission zu einer Rettungsaktion, als zwei Maschinengewehrschützen an Bord des Hubschraubers bei einer der Landungen begannen, verdächtige IS-Kämpfer zu beschießen.
Daraufhin rannte eine Gruppe von Jesiden Richtung Hubschrauber, um sich in Sicherheit zu bringen. Die Zivilisten hätten einen verzweifelten Eindruck gemacht, berichtete CNN-Reporter Ivan Watson. Während rund 20 Zivilisten - darunter Kinder, Frauen und ältere Jesiden - mithilfe der Hubschrauber-Crew einen Platz an Bord fanden, mussten andere Angehörige der Volksgruppe zurückbleiben. An der Rettungsaktion waren auch kurdische Peschmerga-Kämpfer beteiligt, berichtete CNN.
Der Sender berichtete unter Berufung auf den Kurdenvertreter Fazil Mirani von der Demokratischen Partei Kurdistans (DPK), dass auch weiterhin 70 000 Menschen auf der Flucht vor der Terrormiliz Islamischer Staat im Sindschar-Gebirge eingeschlossen seien. Mindestens 100 von ihnen seien inzwischen wegen der Hitze und des Wassermangels gestorben, sagte Mirani. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind in den vergangenen drei Tagen rund 50 000 Menschen vor Extremisten aus dem Sindschar-Gebirge in die kurdischen Autonomiegebiete und nach Syrien geflohen. Die Menschen seien erschöpft und dehydriert, teilte das UNHCR mit. (mit dpa/AFP)