Verwaltungsgericht Berlin: Bundesregierung muss Kampf gegen IS ausführlicher begründen
Hat die Bundesregierung ausreichend über den Einsatz der Bundeswehr gegen den "Islamischen Staat" informiert? Ein Berliner Gericht sagt verneint das.
Die Bundesregierung muss die rechtlichen Grundlagen für den Anti-IS-Einsatz der Bundeswehr sowie für die Awacs-Mission in der Türkei ausführlich erklären. Das Verwaltungsgericht Berlin hat das Auswärtige Amt von Minister Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf eine Klage des Tagesspiegels in einem Eilverfahren verpflichtet, über sämtliche internen völker- und verfassungsrechtlichen Prüfungen zu diesen Fragen vollständig Auskunft zu erteilen. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig, das Auswärtige Amt kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht erheben (Az.: VG 27 L 497.15). Bleibt es aber dabei, wird die Regierung künftig Auslandseinsätze der Streitkräfte deutlich umfangreicher begründen müssen als bisher.
Die Linksfraktion geht derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Syrieneinsatz vor. Bei der parallel laufenden Awacs-Mission ist umstritten, ob die Regierung die Zustimmung des Bundestags hätte einholen müssen. Hinzu kommt, dass die Regierung die Entsendung von Tornado-Aufklärungsflugzeugen in syrische Kampfgebiete erstmals auch darauf gestützt hat, es sei nach den Attentaten von Paris ein EU-Verteidigungsfall eingetreten. Erläuterungen, weshalb hier die EU-Vorschriften greifen sollten, verweigert das Auswärtige Amt jedoch.
Im Dezember hatte das Kabinett den Einsatz bewaffneter Streitkräfte zur Unterbindung und Verhütung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS beschlossen. Zur Legitimation berief sich die Bundesregierung unter anderem darauf, dem Irak im Rahmen eines kollektiven Selbstverteidigungsrechts gemäß der UN-Charta gegen IS-Angriffe helfen zu wollen. Zudem sei Frankreich nach den Attentaten im November „Beistand und Solidarität“ zugesichert worden, nachdem das Land wegen der „Angriffe auf Paris“ den EU-Bündnisfall ausgerufen habe. Der Bundestag segnete den Einsatz ab. Wenig später wurde die Teilnahme an der Awacs-Mission beschlossen, ohne das Parlament zu befragen.
Das Auswärtige Amt stellt sich auf den Standpunkt, die Öffentlichkeit sei damit ausreichend über die Legitimation der Einsätze informiert worden. Weitere Einzelheiten gehörten zum Kernbereich exekutiver Willensbildung und dürften dauerhaft geheim gehalten werden. Politische und juristische Fragen seien hier untrennbar miteinander verschränkt. Außerdem müsse die Bundesrepublik in internationalen Angelegenheiten mit einer Stimme sprechen können, sodass das Bekanntwerden juristischer Zweifel oder von Gegenmeinungen das außenpolitische Gewicht schwächen und den Staatsinteressen Schaden zufügen könne.
Das Verwaltungsgericht urteilte dagegen jetzt, rechtliche Prüfungen könnten von politischen Wertungen abgegrenzt werden. Die juristische Expertise sei „Ausgangspunkt und Grundlage, aber nicht wandlungsfähiger Teil des diskursiven Prozesses der exekutiven Willensbildung“. Zweifel oder Kritik in der politischen Entscheidung vorgelagerten Gutachten oder Stellungnahmen seien ein vollkommen normaler Vorgang, wie es ihn auch bei den EU-Bündnispartnern gebe. „Dieser Vorgang kann in eben dieser Normalität auch offengelegt werden“, heißt es in dem Beschluss.
Vergleichbares gelte für die Entscheidung der Regierung, deutsche Soldaten ohne Abstimmung des Bundestags an der Awacs-Mission zu beteiligen. Das Auswärtige Amt habe hier „ebenso wenig nachvollziehbar und einleuchtend“ dargelegt, dass einer Offenlegung rechtlicher Legitimationen außenpolitische oder militärische Interessen entgegenstehen könnten. Die Frage, ob der Bundestag wegen möglicher Kampfhandlungen zustimmen müsse, sei zudem durch das Verfassungsgericht „voll überprüfbar“. Ihre rechtlichen Bewertungen müsste die Regierung in einem etwaigen Verfahren ohnehin offenlegen.