EU-Außenminister in Malta: Bundesregierung gegen Abbruch der Türkei-Verhandlungen
Die Bundesregierung fürchtet, ein Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen würde die Türkei in Richtung Russland drängen. Ein Referendum in Deutschland über die Todesstrafe in der Türkei könnte verboten werden.
Die Bundesregierung ist nach Angaben von Außenminister Sigmar Gabriel strikt gegen einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. „Wir halten den Abbruch der Gespräche für die völlig falsche Reaktion“, sagte der SPD-Politiker am Freitag bei einem Treffen mit EU-Kollegen auf Malta. Man habe kein Interesse daran, die Türkei „in Richtung Russland zu drängen“.
Gabriel sprach sich allerdings dafür aus, auch neue Gesprächsformate zu suchen. Sie könnten nach Angaben aus Diplomatenkreisen notwendig sein, weil die eigentlichen EU-Beitrittsgespräche seit Monaten de facto auf Eis liegen.
Nach dem Verfassungsreferendum in der Türkei vor rund zwei Wochen waren die Forderungen nach einem Abbruch oder Aussetzen der EU-Beitrittsverhandlungen zuletzt noch einmal lauter geworden. Der geplante Staatsumbau könnte nach Einschätzung von EU-Experten die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz einschränken.
Ein türkisches Referendum in Deutschland muss genehmigt werden
Im Falle eines türkischen Referendums zur Wiedereinführung der Todesstrafe kann die Bundesregierung laut Rechtsgutachten eine Abstimmung in Deutschland verbieten. Wie die „Saarbrücker Zeitung“ berichtet, geht dies aus einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages hervor, das der Zeitung vorliegt. Nicht nur die Stimmabgabe in extra eingerichteten Wahllokalen, sondern auch in Konsulaten und Botschaften könnte untersagt werden.
In dem Gutachten heißt es, es sei sogar eine „Versagungspflicht“ der Bundesregierung denkbar, wenn es um „unverbrüchliche verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Rechtsstandards“ gehe. Grundsätzlich müsse jede Abstimmung eines anderen Staates in Deutschland von diesem zuvor beantragt und von der Bundesregierung genehmigt werden. Zuletzt konnten die in Deutschland lebenden, wahlberechtigten Türken über die Einführung des Präsidialsystems in der Türkei abstimmen. Das war in extra eingerichteten Wahllokalen sowie in diplomatischen Vertretungen möglich.
Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses des Bundestags, Gunther Krichbaum (CDU), der die Rechtsauskunft erbeten hatte, sagte der Zeitung, man könne zwar nicht mit Polizeigewalt in Botschaften eindringen, um ein solches Referendum zu verhindern. „Aber wir sollten alles unternehmen, um es zu erschweren.“
Zugleich forderte Krichbaum ein abgestimmtes europäisches Vorgehen, falls es zu einer türkischen Volksabstimmung über die Todesstrafe komme. Die Durchführung müsse dann in allen EU-Ländern untersagt werden. „Diese unmenschliche Form der Bestrafung widerspricht den fundamentalen Grundrechten in der EU“, erklärte Krichbaum. (dpa, KNA)