Meldepflicht für Hass-Postings: Bundesregierung beschließt Maßnahmen gegen Hetze im Internet
Wer andere im Netz beleidigt oder bedroht, muss künftig mit härteren Strafen als bisher rechnen. Das sieht das neue Gesetz gegen Hasskriminalität vor.
Die Bundesregierung hat gegen Hass im Netz eine Meldepflicht für mutmaßlich strafbare Postings sowie eine Reihe von Strafverschärfungen auf den Weg gebracht. Das Kabinett billigte am Mittwoch die Pläne von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD), die nach dem antisemitischen Anschlag in Halle erarbeitet worden waren.
Der Gesetzentwurf sieht unter anderem höhere Strafen für Drohungen und Beleidigungen im Netz vor. Enthalten ist auch eine Änderung, die die Strafverfolgung nach Verleumdungen von Kommunalpolitikern ermöglichen soll.
Das Paket ist eine Reaktion auf den antisemitischen Anschlag im Oktober in Halle und auf die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni. Die Bundesregierung ist überzeugt, dass rechtsextremistische Gewalttaten auch von Hetze im Netz ausgelöst werden.
„Wir müssen den Nährboden austrocknen, auf dem dieser Extremismus gedeiht“, erklärte Lambrecht. Die Flut menschenverachtender Volksverhetzungen und Bedrohungen im Netz lasse Hemmschwellen sinken.
Die Meldepflicht gilt für soziale Netzwerke. Sie müssen mutmaßlich strafbare Postings inklusive IP-Adresse und Port-Nummer künftig dem Bundeskriminalamt (BKA) melden, statt sie wie bislang nur zu löschen oder zu sperren.
Die Pflicht gilt für
- schwere Straftaten wie Mord- und Vergewaltigungsdrohungen.
- das Verbreiten von Propagandamitteln.
- das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung.
- Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat sowie die Bildung und Unterstützung krimineller und terroristischer Vereinigungen.
- die Verbreitung von Kinderpornografie.
Antragsdelikte wie Beleidigungen, Verleumdungen und üble Nachrede fallen nicht unter die Meldepflicht. Nutzer sollen weiter selbst entscheiden, ob sie solche Taten zur Anzeige bringen. Die umstrittene Regelung zur Herausgabe von Passwörtern an Ermittler sieht vor, dass dies nur bei schweren Straftaten und einer Anordnung vom Gericht möglich ist.
Betreiber sozialer Netzwerke, die der Meldepflicht nicht nachkommen, müssen künftig mit Bußgeldern von bis zu 50 Millionen Euro rechnen, wenn sie der geplanten Meldepflicht für strafbare Inhalte nicht nachkommen.
Bei den Grünen stoßen Meldepflicht und Passwortregelung auf Kritik. Freiheitsrechte würden beschnitten und Kompetenzen von Sicherheitsbehörden weitreichend ausgebaut, kritisierte Renate Künast. Sie begrüßte zwar, dass die Bundesregierung der Verbreitung rechtsextremer Ideologie im Netz nicht länger zuschauen wolle. Dennoch befürchtet sie, dass beim BKA eine riesige „Verdachtsdatei“ entstehe und forderte Vorgaben für die Speicherung und Löschung der übermittelten Daten.
Das Gesetz sieht zudem Strafverschärfungen für folgende Taten vor:
- Drohungen im Netz: Wer im Netz mit Mord oder Vergewaltigung droht, der muss künftig dreimal so hohe Strafen fürchten wie bisher: der Strafrahmen wird von bis zu einem auf drei Jahre verdreifacht. Künftig erfasst der entsprechende Strafrechtsparagraf 241 auch Drohungen mit sexuellen Übergriffen, Gewalttaten und erheblichen Sachbeschädigungen – etwa die Drohung, das Auto anzuzünden. Hier ist das Strafmaß bei öffentlichen Drohungen im Netz bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe.
- Diffamierung von Kommunalpolitikern: Der Strafrechtsparagraf 188 zur üblen Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens wird dahingehend verändert, dass er künftig „Politiker bis hin zur kommunalen Ebene“ schützt, wie es im Gesetzentwurf heißt. Bislang waren nur Politiker bis zur Landesebene klar von dem Gesetz erfasst. Der Strafrahmen wird auf fünf Jahre erhöht.
- Beleidigungen: Beleidigungen im Netz werden nach Paragraf 185 des Strafgesetzbuches (StGB) künftig mit bis zu zwei Jahren statt bis zu einem Jahr Haft bestraft werden.
- Antisemitische Delikte: Wird eine Tat aus antisemitische Motiven heraus begangen, wird dies nach Paragraf 46 StGB in Zukunft ausdrücklich strafverschärfend wirken.
- Medizinisches Personal: Wer in ärztlichen Notdiensten und in Notaufnahmen arbeitet, soll strafrechtlich in gleicher Weise geschützt sein wie Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder eines Rettungsdienstes. Das Notdienst-Personal soll in den Schutzbereich des StGB-Paragrafen 115 aufgenommen werden, der die Gleichstellung dieses Personenkreises mit Vollstreckungsbeamten regelt.
Darüber hinaus ändert sich das Melderecht: Künftig sollen Menschen, die von Bedrohungen und Beleidigungen betroffen sind, leichter eine Auskunftssperre im Melderegister eintragen lassen können. Die Meldebehörden sollen berücksichtigen müssen, ob der Betroffene einem Personenkreis angehört, der sich aufgrund beruflicher oder ehrenamtlicher Tätigkeiten in verstärktem Maße Anfeindungen oder Angriffen ausgesetzt sieht. Bei einer melderechtlichen Auskunftssperre wird wie bisher bei Kandidatinnen und Kandidaten auf Wahllisten nicht mehr die Wohnanschrift angegeben.
Die Linke übte Kritik an den Plänen zur Strafverschärfung. „Dass eine Verschärfung von Straftatbeständen gesellschaftliche Probleme in Luft auflösen wird, ist eine empirisch nicht belegte Illusion“, sagte der Bundestagsabgeordnete Niema Movassat. Das Strafrecht werde als „Mittel für politischen Aktionismus verwendet“, kritisierte er. (epd/AFP)