Nach dem Anschlag von Würzburg: Bundesanwaltschaft hält IS-Mitgliedschaft des Täters für möglich
Die Herkunft des Attentäters von Würzburg wirft Fragen auf. Der Mann kam als Flüchtling nach Deutschland - und ist laut Innenminister de Maiziere ein Einzeltäter. Nun ermittelt die Bundesanwaltschaft.
Nach dem Axt-Angriff eines 17-jährigen Afghanen in einem Regionalzug bei Würzburg hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Es bestehe der Verdacht, „dass der Attentäter die Tat als Mitglied des sogenannten Islamischen Staats zielgerichtet begangen hat“, teilte die Behörde am Mittwoch in Karlsruhe mit. Der Schritt wird damit begründet, dass sich die Terrororganisation inzwischen zu der Tat bekannt habe. Außerdem habe das IS-Sprachrohr Amak ein Video des Attentäters veröffentlicht. „Vor diesem Hintergrund ist zu klären, ob weitere bislang unbekannte Tatbeteiligte oder Hintermänner in die Tat eingebunden waren“, heißt es weiter.
Die Bundesanwaltschaft ermittle daher wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und versuchten Mordes „gegen nicht namentlich bekannte Beschuldigte“. Zu weiteren Einzelheiten könnten aufgrund der laufenden Ermittlungen keine Auskünfte erteilt werden. Das bayerische Landeskriminalamt setze seine Ermittlungen fort.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach hingegen von einem Einzeltäter. Der Attentäter habe nach bisherigen Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden keinen konkreten Auftrag von der Terrormiliz Islamischer Staat erhalten. Es handele sich um einen Einzeltäter, der sich durch die Propaganda des IS „angestachelt“ gefühlt habe, sagte de Maizière am Mittwoch in Berlin. Das Bekennervideo enthalte keine Hinweise auf eine Anordnung des IS. „Es ist vielleicht auch ein Fall, der im Grenzgebiet zwischen Amoklauf und Terror liegt“, sagte der Minister. Er sprach von einem „brutalen Akt wahlloser Gewalt“.
Nicht bei allen Opfern stehe fest, ob sie überleben würden. „Die Hintergründe der Tat müssen weiterhin aufgeklärt werden“, sagte de Maizière. Er sprach sich für mehr Videoüberwachung, mehr Polizei, und besseren Schutz der Polizeibeamten aus. Er betonte, der Staat tue alles, um Anschläge zu verhindern. Aber eine Garantie gebe es nicht.
De Maizière schätzt die Terrorgefahr unabhängig vom Flüchtlingszuzug hoch ein. Er widersprach aber auch Einschätzungen, dass beides nichts miteinander zu tun habe. Auch unter Flüchtlingen gebe es „Hinweise auf Bezüge zum internationalen Terrorismus“, die sich in den meisten Fällen als falsch erwiesen hätten, sagte er. Einige Hinweise würden aber noch überprüft. „Deswegen kann man nicht sagen, es gibt zwischen Flüchtlingen und Terrorismus keinen Zusammenhang“, sagte de Maizière.
Täter nutzte falsche Identität
Der 17 Jahre alte Attentäter von Würzburg ist nach Angaben von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen wahrscheinlich unter einer falschen Identität als Flüchtling nach Deutschland gekommen. "Es spricht viel dafür, dass er sich unter falscher Identität gemeldet hat", sagte Maaßen am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin". Diese Praxis sei aber verbreitet und spreche nicht unbedingt für einen terroristischen Hintergrund. Viele Flüchtlinge hätten bei ihrer Einreise keine oder gefälschte Papiere.
"Es ist noch viel aufzuklären", sagte Maaßen zum dem Würzburger Fall. Es müsse geklärt werden, woher der Angreifer gekommen sei, auf welchem Wege und mit wem. Nach ersten Erkenntnissen gingen die Behörden davon aus, dass der junge Mann aus Afghanistan nach Deutschland gekommen war. Das ZDF berichtete am Dienstagabend aber unter Berufung auf Sicherheitskreise, inzwischen gebe es Zweifel an der Herkunft des Mannes. In seinem Zimmer habe die Polizei auch ein pakistanisches Dokument gefunden.
Maaßen sagte, Attentäter wie der von Würzburg seien oft Einzeltäter, die keine Verbindung zur Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) hätten. Ihre Radikalisierung finde zumeist über das Internet statt. Es seien Attentäter, die in einer "Do-it-Yourself"-Art handelten. Der IS hatte ein Bekennervideo des Angreifers veröffentlicht, dass die Behörden für echt halten. "Wir wissen nicht, wie das Video zum IS gelangt ist", sagte Maaßen.
Der Angriff von Würzburg füge sich in die Gefährdungssituation in Deutschland ein. "Es ist nicht so, dass jeder Flüchtling ein Terrorist sein kann", sagte Maaßen.
Auch Kanzleramtsminister Peter Altmaier sieht kein erhöhtes Terrorrisiko durch Flüchtlinge in Deutschland. Alle Erkenntnisse aus den letzten zwölf Monaten deuteten klar darauf hin, dass die Gefahr des Terrorismus bei Flüchtlingen "nicht größer und nicht kleiner ist als in der übrigen Bevölkerung", sagte der CDU-Politiker am Dienstagabend im ZDF-"heute-journal".
"Die meisten Terroristen, die in den letzten Monaten in Europa Anschläge begangen haben, waren keine Flüchtlinge, sondern Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind", sagte Altmaier. Andere seien mit offiziellen Visa als Studenten nach Europa eingereist. Wenn sehr viele Menschen als Flüchtlinge nach Deutschland kämen, sei es daher selbstverständlich auch denkbar, "dass der eine oder andere von ihnen ebenfalls für solche Ideologien anfällig ist".
Die deutschen Behörden würden bereits bei der Einreise von Flüchtlingen großen Wert auf den Abgleich mit Datenbanken legen, in denen terroristische Gefährder registriert seien. Der Attentäter von Würzburg sei hier aber noch nie in Erscheinung getreten, weder vor noch nach seiner Flucht, sagte Altmaier. Deshalb hätten die Sicherheitsbehörden zu ihm auch keinerlei Erkenntnisse gehabt. (tsp, dpa)