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Zwei Welten. Während Kinder einfach nur spielen und lernen wollen, dominieren im Kita-Streit Taktik und Kalkül.
© Kitty Kleist-Heinrich

Auf Kosten der Kinder: Bund und Länder streiten um Geld für Kita-Ausbau

Bund und Länder streiten um das Geld für den Ausbau der Kindertagesstätten auf 780.000 Plätze. Es geht um 580 Millionen Euro. Familienministerin Kristina Schröder fordert mehr Tempo, Landespolitiker sprechen von Gängelung und dem Bruch von Vereinbarungen.

Die Bundesjugendministerin ist sauer. Auf die Länder, die Ministerpräsidenten, den Bundesrat. Da will die Bundesregierung doch 580 Millionen Euro an die Kommunen verteilen, um den Ausbau der Kindertagesstätten zu fördern – und was machen die für die Verteilung mitzuständigen Länder? Bremsen, verhandeln, Widerstand leisten. Jedenfalls aus Sicht von Kristina Schröder. Ihrem Furor hat sie am Mittwoch freien Lauf gelassen. „Null Verständnis“ habe sie dafür, dass der Bundesrat die zusätzlichen Bundesmittel derzeit blockiere. „Jeder Landesminister mit Verstand“ müsse beim Ausbau Tempo machen und jeden zusätzlichen Euro für neue Kita-Plätze annehmen. Offenbar wollten „manche Länder den Kita-Ausbau aus Parteitaktik vor die Wand fahren lassen“.

Hintergrund ist eine kritische Stellungnahme des Bundesrats vom vorigen Freitag zur Kita-Hilfe des Bundes. Diese ist, und das macht die Sache zusätzlich kompliziert, mit dem Gesetz zum EU-Fiskalpakt in einem Paket verbunden. Da dieses nicht nur zustimmungspflichtig ist, sondern auch eilbedürftig, haben die Länder die Chance genutzt, ihre Interessen durchzusetzen.

Entsprechend kam Schröders Wut am Mittwoch in den Ländern nicht gut an. Zumal man dort den Eindruck hat, dass es der Bund ist, der die Dringlichkeit des Fiskalpakts nutzen will, um seine innenpolitischen Zahlungspflichten zu reduzieren. Stanislaw Tillich, der christdemokratische Ministerpräsident von Sachsen, sagte dem Tagesspiegel, der Bund habe die zusätzlichen 580 Millionen Euro „vorbehaltlos zugesagt. Dieser Zusage widerspricht es, wenn die Förderung nunmehr von Gegenleistungen der Länder abhängig gemacht wird.“ Im Freistaat arbeiteten die Kommunen zusammen mit der Regierung „mit Hochdruck“ daran, den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz zum 1. August 2013 umzusetzen. „Um dies zu erreichen, ist vor allem Planungssicherheit erforderlich. Diese ist nicht gewährleistet, wenn der Bund kurz vor dem Ziel die bisherigen Spielregeln ändert. Die Befürchtung, die Mittel werden zur Haushaltssanierung zweckentfremdet, entbehrt jeder Grundlage“, sagte Tillich.

Erbost reagierte auch der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU): Schröders Kritik „geht im Kern an der Sache vorbei“. In der Vereinbarung von Bund und Ländern sei „unabhängig von Auflagen, Bedingungen oder gar Ausbaustufen“ festgelegt worden, dass der Bund Finanzmittel für den Kita-Ausbau zur Verfügung stellt, sagte Haseloff dem Tagesspiegel. „Einziges Kriterium war die Weiterentwicklung im Krippenbereich in Abhängigkeit von der Kinderzahl.“ Was jetzt zur Voraussetzung für Zahlungen des Bundes genannt werde, entspreche nicht der Geschäftsgrundlage. „Frau Schröder sollte nachdenklich machen, dass dies von allen Bundesländer übereinstimmend so gesehen wird“, sagte Haseloff. In den Ländern gibt es nicht zuletzt Ärger wegen der aus ihrer Sicht zu engen Kontrolle der Mittelverwendung durch den Bund. Die nordrhein-westfälische Familienministerin Ute Schäfer (SPD) etwa spricht von einem „regelungswütigen bürokratischen Berichtspflichtensystem“, das Berlin installieren wolle. Ein „typisches Gängelungsgesetz“ gegen die Länder konstatierte die rheinland-pfälzische Bundesratsministerin Margit Conrad (SPD). Der baden-württembergische Kultusstaatssekretär Frank Mentrup (SPD) warf Schröder vor, sie wolle die Einigung mit den Ländern„an die Wand fahren“. Mit bürokratischen Hürden für die Länder wolle sie die Freigabe der Bundesmittel verzögern. „Es ist nicht zu fassen, dass die Bundesministerin wenige Monate vor der endgültigen Umsetzung des Rechtsanspruchs einen Konflikt mit den Ländern sucht, anstatt die Kommunen beim Ausbau der Betreuungsplätze so schnell wie möglich stärker zu unterstützen“, sagte Mentrup dem Tagesspiegel.

Die Zeit drängt.

Die 580 Millionen dienen dazu, zusätzlich zu den für 2013 vorgesehenen 750.000 Kita-Plätzen nochmals 30.000 Plätze für Kinder unter drei Jahren zu schaffen. Auf Berlin entfallen knapp 28 Millionen Euro. Für die Betriebskosten hat der Bund den Ländern zusätzlich 75 Millionen Euro aus der Umsatzsteuer zugestanden. Die Länder wollen das Geld ab 2013, der Bund will aber erst ab 2015 zahlen. Und es geht noch um eine Bundeszahlung, über die derzeit verhandelt wird – in gewissem Sinne sind die Kita-Gelder somit in der Geiselhaft der Länder, um den Druck auf den Bund zu erhöhen. Denn mit der Bundesstaatsreform 2006 gab es eine Aufgabenneuverteilung, die auch eine veränderte Mittelaufteilung nötig machte. Es geht dabei um Hochschulbau, Kommunalstraßen und Wohnraumförderung. Dazu sollen Mittel aus dem Bundesetat an die Länder umgeschichtet werden. Aus deren Sicht aber spielt der Bund auf Zeit, um seine Belastung möglichst niedrig zu halten. Die Zeit jedoch drängt. Denn 2014 schon sollen diese Mittel in die Etats eingeplant werden.

Conrad verweist darauf, dass Schröder und die Bundesregierung mit ihrer Haltung in erster Linie die Kommunen und freien Träger träfen, welche die Kitas bauen und betreiben. Und diese hätten nun einmal das Problem, dass die vom Bund vorgesehenen Fristen bisweilen nicht einzuhalten seien, etwa weil Baumaßnahmen nicht so liefen wie geplant. Daher müsse flexibler gehandelt werden.

Die Kommunen hoffen derweil, dass der Streit nicht zu lange dauert. Helmut Dedy vom Deutschen Städtetag appellierte an Bund und Länder, sich rasch zu einigen. „Der Städtetag hat kein Verständnis dafür, wenn jetzt wertvolle Zeit durch Auseinandersetzungen verloren geht, wie Prüf-, Berichts- und Nachweispflichten zu den 580 Millionen Euro aussehen.“ Hans Jörg Duppré, Präsident des Landkreistags, schlägt vor, dass der Bund die Fristen für die Mittelabrechnung durch die Länder verlängert, „um das Ausbauziel nicht zu gefährden und die Kommunen nicht zu überfordern“.

Albert Funk

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