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Büffeln fürs Zusammenleben: Der Sprachtest kann nach den EU-Regeln zur Pflicht gemacht werden, aber nicht zur Voraussetzung für ein Familienleben
© Martin Schutt/dpa

Sprachtest für Ausländer: Brüssel droht Deutschland mit neuem Verfahren

Die EU rügt seit Jahren, dass Deutschland mit dem Deutschtest das Familienleben mit ausländischen Partnern vom Sprachnachweis abhängig macht. Aber die Bundesregierung hat das offenbar bisher nicht beeindruckt.

Verträge einhalten, Gesetze beachten, vor roten Ampeln halten: Ein Gemeinwesen lebt davon, dass das im wesentlichen funktioniert, auch ohne dass seine Mitglieder ständig mit Gewalt zur Rechtstreue gezwungen werden. Manchmal aber ist der Staat selbst nicht so rechtstreu, wie er es von den Bürgerinnen und Bürgern verlangt – und dann ähnlich schwer zu fassen wie ein jugendlicher Intensivtäter, den kein erhobener Zeigefinger schreckt. Vier Jahre lang hat die Bundesregierung alle Zeigefinger ignoriert, die die EU gegen den Deutschtest erhob, der seit 2007 für alle Pflicht ist, die zu ihren in Deutschland lebenden Ehefrauen, -männern und Kindern ziehen wollen. Dass zwar nicht die Pflicht zum Sprachelernen gegen den Schutz von Ehe und Familie verstoße, wohl aber, das Familienleben davon abhängig zu machen, war schon der Hauptkritikpunkt, als das neue Zuwanderungsgesetz von 2005 debattiert wurde. 2011 meinten das auch die Juristen der EU-Kommission in einem niederländischen Fall; Den Haag zog darauf seine Vorschrift zurück. Reaktion der Bundesregierung: Sache der Nachbarn, nicht unser Bier. Auch als das Bundesverwaltungsgericht 2011 Zweifel äußerte - es hatte den Sprachtest bis dahin gestützt - und die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren androhte, zeigte sich Berlin ungerührt. Das Verfahren wurde 2013 eingeleitet, Berlin blieb stur.

Die Regierung prüft und prüft

Erst im Sommer 2014 zuckte man – ein bisschen. Der Europäische Gerichtshof hatte den Sprachtest mindestens für türkische Angehörige gekippt, wobei es nicht um den Schutz von Ehe und Familie ging, sondern um die Verletzung des Assoziationsabkommens mit der Türkei von 1970. Das Auswärtige Amt wies – offenbar nach Scharmützeln mit den Innenpolitikern der Union – seine Botschaften an, auf den Sprachnachweis zu verzichten, wenn Angehörige plausibel machen könnten, dass sie sich ein Jahr lang erfolglos um einen Deutschkurs bemüht hätten.
Der EU-Kommission aber war diese Härtefallregelung zu wenig. Sie hat Deutschland am 13. Januar ein weiteres Verfahren angedroht, diesmal, weil es den Spruch der europäischen Richter nicht korrekt umsetzt. Vermutlich war ihre Geduld schlicht am Ende. Immerhin ein halbes Jahr lang vertröstete die Bundesregierung Brüssel mehrmals damit, man „prüfe“ noch, was zu tun sei, wie der Parlamentarische Innnen-Staatssekretär Ole Schröder kürzlich auf eine Frage der Linksfraktion zugab. Zwei Monate nach dem letzten Brief vom November folgte die Ankündigung des Verfahrens.

Aussitzer im Rechtsstaat

Man darf gespannt sein auf die Fortsetzung der Geschichte. Ihr Verlauf bisher lässt nicht darauf schließen, dass die Bundesregierung endlich tut, was sie muss. Wirklich harte Strafen kann Europa nicht verhängen, und Intensivtäter ist sowieso ein Wort aus der Kriminologie. Die hat es mit Menschen zu tun und nicht mit der Macht. Für die gilt die altrömische Weisheit, dass dem Ochsen noch lange nicht erlaubt ist, was Jupiter darf. Ein Grundsatz für Rechtsstaaten ist sie aber nicht. Und ganz sicher kein gutes Beispiel für andere, die Regeln brechen. In Deutschland und Europa.

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