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Ein Pieks und dann zur Party? Fachleute sehen auch für Geimpfte noch keinen Grund zur Sorglosigkeit.
© imago

Beginn der Covid-Impfungen: Breiter Protest gegen Extras für Geimpfte

Ungeschützt ins Kino oder den Supermarkt? Vom SPD-Vorsitzenden bis zum Caritas-Präsidenten halten Politik und Fachwelt wenig von Sonderrechten für Geimpfte.

Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans hat sich gegen Privilegien für bereits Geimpfte ausgesprochen: „Wir dürfen die Solidarität, die wir derzeit an so vielen Stellen zeigen, jetzt nicht aufgeben. Bis eine ausreichende Zahl von Menschen geimpft ist, sollten die Regeln für alle gleich sein“, sagte Walter-Borjans dem Tagesspiegel. „Es wäre falsch, Menschen zu bevorteilen, weil sie früher an der Reihe waren als andere, zumal noch nicht einmal gesichert ist, ob von Geimpften keinerlei Ansteckungsgefahr mehr ausgeht.“

Der SPD-Chef zeigte sich fest überzeugt, dass in der Bevölkerung „die weit überwiegende Mehrheit sich und andere durch eine Impfung schützen wird, sobald das möglich ist.“ Danach könne Deutschland „die zermürbenden Einschränkungen endlich ganz hinter uns lassen“. Die Zahl der Impfgegner, so Walter-Borjans, werde “am Ende überschaubar sein und nur insofern ins Gewicht fallen, als diese Gruppe sich selbst gefährdet. Das müssen wir in einer Aufklärungskampagne deutlich machen, um so viele wie möglich davon zu überzeugen, dass Impfen schützt.“ 

Caritas-Chef nennt Vorrrechte gefährlich und unsolidarisch

Der Präsident des katholischen Wohlfahrtsverbands Caritas, Prälat Peter Neher, nannte die Debatte um Vorrechte für Geimpfte genauso gefährlich wie jene im Frühjahr, als es um Covid-Genesene ging. Schon das sei „ein Verstoß gegen das Solidaritätsprinzip“ gewesen, . nach dem Motto „ich bin mir selbst der Nächste“. Angesichts gerade zu Anfang beschränkter Impfstoffkapazitäten verbieten sich solche Überlegungen gänzlich.“ Neher mahnte, die Bedenken gegen das Impfen, die es auch unter dem Pflegepersonal gebe, „ernst zu nehmen, die Bevölkerung gut und transparent zu informieren“. Sein eigener Verband habe, weil er Personen aus Risikogruppen betreue und begleite, „jedes Interesse daran, dass sich viele Menschen impfen lassen“, sagte Neher. „Geimpften Vorteile gegenüber nicht Geimpften einzuräumen, wie z.B. Restaurant- oder Kinobesuche, ist allerdings der falsche Weg.“ 

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Diese Haltung teilen die Grünen. Kordula Schulze-Asche, Sprecherin für Pflege- und Altenpolitik und Infektionsschutzfachfrau, sagte dem Tagesspiegel, für eine wirksame Bekämpfung des Virus sei die Immunisierung von mindestens 60 Prozent der Bevölkerung nötig. Bis dahin „werden wir uns alle weiter an die AHA-L-Regeln halten müssen“. Weder sei sicher, dass Geimpfte das Virus nicht weitertrügen, noch, wie lange ihr Schutz anhalte.

FDP: Versorgung miserabel

„Bis es darauf eine wissenschaftlich begründete Antwort gibt, ist das Vorrecht der Geimpften, dass sie Impfschutz genießen.“ Der Bundesregierung warf sie vor, sie habe es „versäumt, die Impfkampagne im großen Maßstab zu denekn, - das gilt für die Produktionskapazitäten genauso wie für das impfende Personal“. Grundsätzlich gelte: „Eine Pandemie ist nur global zu bekämpfen, nicht allein national. Erweiterte Produktion hoher Qualität mit entsprechenden Lizenzen der Impfstoffhersteller, wie sie es auch bei anderen Medikamenten etwa gegen Aids gibt, sind notwendig, um bald weltweit ausreichend Impfstoffe zur Verfügung stellen zu können.“

Schulze-Asche teilt allerdings die Ansicht von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), dass komplexe Arzneien wie Impfstoffe nicht über Nacht in ausreichender Menge hergestellt werden könnten. Es werde noch Monate dauern, bis deutschland- und weltweit genügend davon ausgegeben werden könne.  

Der FDP-Abgeordnete Markus Herbrand nannte die Versorgung mit Corona-Impfstoff miserabel; sie sei „ein Armutszeugnis und direkte Folge der Versäumnisse der Bundesregierung. Weder auf nationaler Ebene noch während der sechsmonatigen EU-Präsidentschaft sind Initiativen zur Schaffung zusätzlicher Produktionskapazitäten auf den Weg gebracht worden.“ Stattdessen habe man „das Märchen der erfolgreichen Pandemiebekämpfung eifrig weiter gesponnen“.  

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