Algerien nach der Präsidentschaftswahl: Bouteflika bleibt im Amt
Er ist alt und so krank, dass er sein Amt wohl nicht ausüben kann. Präsident Bouteflika bleibt dennoch. Die Jugend Algeriens geht auf die Straße.
Amtsinhaber Abdelaziz Bouteflika hat die Präsidentenwahl in Algerien wie erwartet mit haushohem Vorsprung gewonnen und bleibt damit weitere fünf Jahre Staatschef. Wie der Innenminister am Freitagabend offiziell bekannt gab, entfielen auf den von einem Schlaganfall gezeichneten 77-Jährigen 81,53 Prozent der abgegebenen Stimmen, gefolgt von seinem wichtigsten Herausforderer, Ex-Premierminister Ali Benflis, der 12,18 Prozent enthielt. Die übrigen vier Gegenkandidaten kamen zusammen auf rund sechs Prozent. In der Hauptstadt Algier veranstalteten Anhänger Bouteflikas, der seit 1999 an der Spitze des Landes steht, Jubelfeiern und hupende Autokorsos in den Straßen. Der unterlegene Benflis dagegen sprach von „groß angelegtem Wahlbetrug“ und „schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten“.
Jugend protestiert gegen Erstarrung
Auch auf Twitter überwogen die zynischen Kommentare. „Wir alle haben das kommen sehen – willkommen im Nahen Osten“, schrieb einer. „Wenn man schon die Ergebnisse fälscht, geht es nicht wenigstens ein bisschen glaubwürdiger“, textete ein anderer. Nach Angaben des Innenministeriums lag die Wahlbeteiligung bei 51,78 Prozent und damit ein Drittel niedriger als vor fünf Jahren, als sie mit 74,5 Prozent angegeben worden war. Damals 2009 hatten amerikanische Diplomaten laut WikiLeaks die wahre Beteiligung auf höchstens 25 bis 30 Prozent taxiert. Algeriens korrupte Administration ist notorisch dafür bekannt, die Wahlurnen in den Stunden vor der Auszählung zum Nachteil der Opposition mit Millionen illegaler Stimmzettel „zu stopfen“. Die Islamisten und eine Reihe kleinerer liberaler Parteien hatten daher das Präsidentenvotum bereits im Vorfeld als Farce abgetan und ihre Mitglieder zum Boykott aufgerufen. Der Wahltag war überschattet von schwere Jugendunruhen in der Kabylei östlich von Algier, die sich gegen die politische Erstarrung im Land, Korruption und Arbeitslosigkeit richteten. Bei Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Polizei gab er mehr als 70 Verletzte, als die Menge versuchte, in Wahllokale einzudringen und Urnen in Brand zu setzen. An die Hauswände sprühten sie Graffiti wie „Nein zu Bouteflika, nein zu Benflis, ja zum Weg in eine Demokratie“. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warf dem Regime in Algier erneut vor, die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit der Bürger zu missachten und öffentliche Kritik systematisch zu unterdrücken.
Seit Schlaganfall im Rollstuhl
.Seit dem Schlaganfall Bouteflikas im Frühjahr 2013 gibt es erhebliche Zweifel, ob der 77-Jährige überhaupt noch amtsfähig ist. Er kann er nicht mehr laufen, am Donnerstag gab er seine Stimme stumm lächelnd und im Rollstuhl sitzend ab, der erste Auftritt des invaliden Präsidenten in der Öffentlichkeit seit zwei Jahren. Den Wahlkampf hatte er aus der Ferne von seiner Dienstvilla aus verfolgt, wo er rund um die Uhr gepflegt wird.
Gesichtslose Clique
Als Programm für seine kommende Amtszeit ließ er seinen politischen Sprecher einen Brief an die Bevölkerung verlesen, in dem er seinen 38 Millionen Landsleuten eine „breite Demokratie“ versprach. Seine innenpolitischen Kritiker dagegen werfen ihm vor, nur noch eine Marionette der eigentlich Mächtigen zu sein, die seit der „dunklen Dekade“ des Bürgerkriegs mit 200.000 Toten hinter den Kulissen die Strippen ziehen. „Le Pouvoir“ oder „die Macht“ nennt die Bevölkerung diese namen- und gesichtslose Clique aus Generälen, Geheimdienstlern und staatlichen Wirtschaftsbossen, die die Reichtümer des nordafrikanischen Mittelmeeranrainers kontrollieren. In den 52 Jahren seit seiner Unabhängigkeit von Frankreich hat Algerien keine nennenswerte Industrie entwickelt, das Land hängt praktisch vollständig von seinen Öl- und Gaseinnahmen ab.
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