Warten auf den Brexit-Showdown: Boris Johnson plant angeblich Zwangsferien für das Parlament
Großbritanniens Premierminister soll einen Plan haben, um den Brexit durchzusetzen: Abgeordnete sollen angeblich daran gehindert werden, dazu abzustimmen.
Offiziell befindet sich das Unterhaus noch bis kommende Woche in den Ferien. Am Dienstag aber begannen in der Londoner Spätsommerhitze die Vorbereitungen für einen parlamentarischen Showdown über Premier Boris Johnsons Pläne, Großbritannien ohne Austrittsvereinbarung in einen chaotischen Brexit zu führen. Er werde alles tun, um das No-Deal-Szenario zu verhindern, sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn vor einem Treffen sämtlicher Oppositionsfraktionen.
Der neue Brexit-Unterhändler David Frost soll an diesem Mittwoch in Brüssel mögliche Kompromissideen ausloten. Während die EU auf dem ausverhandelten Paket aus Austrittsvertrag und politischer Erklärung beharrt, fordert London die Streichung der Auffanglösung für Nordirland (Backstop), mit der die innerirische Grenze offengehalten werden soll. Bei Johnsons Besuch in Berlin hatte Kanzlerin Angela Merkel vergangene Woche davon gesprochen, womöglich lasse sich „binnen 30 Tagen“ eine Lösung finden.
Beim Treffen der Opposition versprachen sich Corbyn sowie Vertreter der Liberaldemokraten, der schottischen und walisischen Nationalisten, der kleinen Change UK-Fraktion sowie die einzige grüne Abgeordnete Caroline Lucas in die Hand, man werde alles zur Vermeidung eines No-Deal-Brexit tun. Was damit gemeint ist, verdeutlichte Labours Brexit-Sprecher Keir Starmer: Schon nächste Woche solle das Unterhaus ein neues Gesetz verabschieden, das die Regierung zum Einlenken zwingt. Wie dies aussehen könnte? Die liberale Parteichefin Joanne Swinson will gesetzlich eine Verlängerung der Austrittsperiode um bis zu sechs Monate durchsetzen; in dieser Zeit könnte ein neuerliches Brexit-Referendum durchgeführt werden, heißt es in Westminster.
Wenig Chancen werden dem Plan eingeräumt, Johnson durch ein Misstrauensvotum zu Fall zu bringen. Corbyn hatte sich selbst als Leiter einer „Übergangsregierung“ ins Spiel gebracht, die Neuwahlen vorbereiten solle. Dies lehnen gemäßigte Torys ebenso ab wie andere Oppositionspolitiker. Swinson wünscht sich den konservativen Ex-Minister Kenneth Clarke, oder die frühere Vize-Labourchefin Harriet Harman.
Im Prinzip möglich
In jedem Fall „haben wir wenig Zeit“, sagt Starmer und sieht Handlungsbedarf schon kommende Woche. Denn interne Emails der Downing Street, die ihren Weg auf den Schreibtisch interessierter Journalisten fanden, legen nahe: Der Premierminister hat bei seinem obersten Rechtsberater, dem Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox, eine Expertise darüber bestellt, ob er das Unterhaus vom 9. September an, also nach gerade mal drei Sitzungstagen, in den fünfwöchigen Zwangsurlaub schicken könne.
Als Mittel dafür kommt die sogenannte Prorogation in Frage, mit der eine Parlamentsession abgeschlossen wird, ehe Königin Elizabeth II. die nächste Periode eröffnet. Das würde bedeuten, dass das Parlament kaum noch eine Chance hätte, den Austritt aus der EU am 31. Oktober zu verhindern. Cox’ Antwort: Im Prinzip möglich, vor Gericht nicht unbedingt durchsetzbar. Zu diesem Schluss kommt auch Shami Chakrabarti von der Labour-Partei, wenn auch mit etwas anderem Akzent: Es handle sich um einen „schweren Machtmissbrauch und Angriff auf die Verfassung“.
Unter Berufung auf Quellen in der Downing Street kursieren Pläne, der Premierminister werde bald von seiner Macht Gebrauch machen, neue Mitglieder des aus allen Nähten platzenden Oberhauses zu ernennen. Einzige Qualifikation: Die Kandidaten müssen überzeugte Brexiteers sein.