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 Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, verlässt das Außen- und Commonwealth-Büro nach einem Treffen mit Trump-Berater und Schwiegersohn Kushner.
© dpa/Dominic Lipinski
Update

No-Deal-Brexit in Vorbereitung: Boris Johnson droht EU mit hartem Bruch

Der britische Premier will Brüssel vor weiteren Gesprächen unter Druck setzen. Außerdem plant er offenbar, getroffene Vereinbarungen zu Nordirland auszuhebeln.

Der britische Regierungschef Boris Johnson bereitet seine Landsleute offenbar auf einen Brexit ohne Anschlussabkommen, also einen No-Deal-Brexit, vor. Kurz vor der nächsten Gesprächsrunde über ein Brexit-Anschlussabkommen in dieser Woche fordert Johnson von der EU mehr Tempo und Entgegenkommen. Man müsse sich bis Mitte Oktober einigen, damit ein solcher Deal noch ratifiziert werden könne.

Bis zum 15. Oktober soll eine Einigung zu einem Handelsabkommen auf dem Tisch liegen. "Wenn wir uns bis dahin nicht einigen können, sehe ich kein Freihandelsabkommen zwischen uns und wir sollten das beide akzeptieren und getrennte Wege gehen", wird Johnson an diesem Montag laut vorab veröffentlichten Auszügen aus seiner Rede sagen.

Stattdessen setze London dann auf eine Vereinbarung mit der EU nach australischem Vorbild. Laut Johnson wäre das "ein gutes Ergebnis".

Die EU hat mit Australien bisher nur ein Rahmenabkommen, das unter anderem technische Hürden betrifft. Im Großen und Ganzen findet der Handel zwischen Europa und Australien auf Grundlage der Welthandelsorganisation WTO statt. Auf Großbritannien übertragen wäre das dann der gefürchtete No Deal.

Der britische Regierungschef tut andererseits wenig dafür, dass sich London und Brüssel in den kommenden Tagen annähern werden. Im Gegenteil, offenbar plant London, wichtige Vereinbarungen zu Nordirland mit der EU im Alleingang wieder rückgängig zu machen.

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Laut einem Bericht der Zeitung "Financial Times" unter Berufung auf drei mit den Plänen vertraute Personen wolle die britische Regierung am Mittwoch Gesetze verabschieden, die Teile des Brexit-Abkommens über Staatshilfen und Grenzregelungen mit Irland außer Kraft setzen und einen Abbruch der seit Monaten ins Stocken geratenen Gespräche mit Brüssel bedeuten könnten.

Andere britische Zeitungen, darunter der "Guardian", bestätigten die Pläne. Der irische Außen- und Verteidungsminister Simon Coveney und die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon reagierten höchst irritiert auf diese Ankündigung.

Noch schärfer im Ton war am Sonntag der britische Chef-Unterhändler David Frost: Er sei sich völlig einig mit Johnson, dass Großbritannien von einem No-Deal-Brexit nichts zu befürchten habe, sagte er der „Mail on Sunday“. „Ich glaube nicht, dass uns das in irgendeiner Weise Angst einjagt“, sagte Frost in einem Interview.

Von der Leyen mahnt London zur Einhaltung des EU-Austrittsabkommens

EU-Chefunterhändler Michel Barnier äußerte sich am Montag verärgert. "Alles, was unterschrieben wurde, muss respektiert werden", sagte Barnier dem Radiosender France Inter in Paris.

EU-Kommissionspräsident Ursula von der Leyen hat Großbritannien zur Einhaltung des Brexit-Austrittsvertrages aufgefordert. Das sei eine Verpflichtung nach internationalem Recht und Voraussetzung für die künftige Partnerschaft Großbritanniens mit der EU, schrieb von der Leyen am Montag auf Twitter.

Auch der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD), äußerte sich auf dem Kurzbotschaftendienst Twitter "schockiert". Die EU werde "sich nicht erpressen lassen", betonte er. Ein EU-Diplomat in Brüssel merkte an: "Wer will schon ein Handelsabkommen mit einem Land abschließen, das internationale Verträge nicht umsetzt?"

Am Dienstag wird Barnier in London erwartet. Großbritannien war Ende Januar aus der EU ausgetreten. In einer Übergangsphase bis zum Jahresende gehört das Land aber noch zum EU-Binnenmarkt und zur Zollunion, so dass sich im Alltag fast noch nichts geändert hat. Gelingt kein Vertrag über die künftigen Beziehungen, könnte es Anfang 2021 zum harten wirtschaftlichen Bruch mit Zöllen und anderen Handelshemmnissen kommen.

Großbritannien ist im Januar aus der EU ausgetreten. Bis Jahresende gilt noch eine Übergangsphase, in der die künftigen Beziehungen etwa im Bereich Handel geklärt werden sollen. (dpa/rtr/Tsp/AFP)

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