zum Hauptinhalt
Händler präsentieren bei einer Messe für handgeknüpfte Teppiche in Teheran ihre Ware. Iran erwartet einen starken wirtschaftlichen Aufschwung durch die Lockerung der Sanktionen.
© Atta Kenare/AFP

Atomabkommen mit dem Iran: Bloß kein historischer Irrtum

Steinmeier reist nach Teheran. Doch das Abkommen mit dem Iran birgt große Gefahren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Das Atomabkommen mit dem Iran – wie ist es zu bewerten? Darum geht es jetzt, wieder einmal, nachdem der deutsche Außenminister angekündigt hat, im Oktober nach Teheran reisen zu wollen. Der deutsche Wirtschaftsminister war schon da. Was aussieht, als habe es die Bundesregierung gar nicht erwarten können. Im Ausland wird die Berliner Aktivität sehr wohl wahrgenommen, nicht zuletzt in den USA. Daran ändert auch der Verweis auf andere Minister aus anderen Staaten nichts, die inzwischen in Teheran waren.

Dass das Wiener Abkommen die Isolation des Iran beende, Gespräche mit der internationalen Staatengemeinschaft und die Kooperation mit früheren Feinden wie Amerika ermögliche, dass es dazu die Russen einbinde in alle Fragen der Region des Mittleren Ostens – gut. Und richtig. Das alles stimmt. Aber das Abkommen unter allen Umständen historisch zu nennen, und zwar nur in positiver Hinsicht, ist doch noch sehr zweifelhaft.

Das Atomabkommen mit dem Iran "historisch" zu nennen, ist zweifelhaft

Die Rolle des Iran in Syrien, dem Libanon, dem Irak? Die Verbindung Teherans mit der Terrororganisation Hisbollah, gewissermaßen eine schiitische Variante der sunnitischen Terrormiliz „Islamischer Staat“, kurz IS? Die Waffenlieferungen aus Russland, die jetzt (wieder) möglich sind? Die Neuentwicklung einer 500 Kilometer weit reichenden iranischen Rakete, die auch der Hisbollah für den Kampf gegen Israel zur Verfügung gestellt werden könnte?

Kurz: Vieles ist fraglich, vieles fragwürdig. Die Entwicklung ist nicht so eindeutig vorhersehbar, wie es die Unterhändler des Abkommens glauben oder glauben machen wollen. Ganz besonders, dass die Vereinbarung einen „Griff Teherans nach der Atombombe“ langfristig ausschließe, wie der deutsche Außenminister sagt. Nach der Atombombe, die Israel bedroht, das der Iran unverändert vernichten will. Für dessen Sicherheit Deutschland aber unter allen Umständen einzutreten versprochen hat. Doch nicht nur Israel ist bedroht, sondern auch Europa. Und Länder darüber hinaus sind es. Denn der Iran hat nicht allein Raketen mit kurzer, sondern auch mit längerer Reichweite. Er kann dieses Entwicklungsprogramm weiter verfolgen – für Raketen, die sich dann auch mit Nuklearsprengköpfen versehen lassen.

Der Optimismus in Hinblick auf den Iran ist brillante Naivität

Eine übertriebene Sicht? Eine realistische. Eine andere wäre bestenfalls brillante Naivität. Nur ein Beispiel: die Inspektionen der iranischen Atomanlagen. Die Geschichte zeigt, dass Regime nicht im Offenen nach verbotenen Waffen streben. Die bekannten, deklarierten Anlagen werden dem Inspektionsregime unterworfen – aber was ist mit den geheim gehaltenen? Die Urananreicherungsanlage von Isfahan kann nach dem Abkommen sofort kontrolliert werden. Doch die militärischen Einrichtungen: Wer soll da hineinkommen, schon gar, wenn die Kontrolleure sich laut Wiener Abkommen 24 Tage vorher anmelden müssen? Und die Frist kann sich noch einmal um einen Tag verlängern.

Sind die Sanktionen gelockert und die international gesperrten Konten wieder offen, wird Teheran weit mehr als hundert Milliarden Euro zur Verfügung haben. Geld, das in jedem Fall den eigenen Interessen dienen wird. Denen einer Regierung moderater Reformer? Oder denen, die den Iran zu einer radikalislamischen Großmacht mit Atomwaffen machen wollen, einer, die außerdem Terrororganisationen hilft, Hisbollah, Hamas? Nichts wäre schlimmer als ein historischer Irrtum.

Zur Startseite