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Die Fernsehdebatte der Demokraten am Mittwochabend, 25. Februar, kurz vor dem Super Tuesday.
© AFP

Präsidentschaftswahl in den USA: Bleiben oder gehen? Die demokratischen Kandidaten vor dem "Super Tuesday"

Die Demokraten könnten sich selbst kannibalisieren, fürchten viele. Gebt auf, flehen sie. Warum die Top-Platzierten bleiben. Ein Vergleich.

In den USA liefern sich die Demokraten nicht nur das Rennen mit den meisten Kandidaten in ihrer Geschichte - es könnte auch das Rennen werden, das am längsten unentschieden ist. Zwar ist zu erwarten, dass sich der innerparteiliche Wettbewerb nach der Vorwahl in South Carolina am Samstag und nach dem Super Tuesday am kommenden Dienstag, dem 3. März, etwas lichtet. Doch so richtig aussichtslos ist es bislang für keinen der fünf Top-Runner – zum Leidwesen vieler Beobachter. Die stärkeren moderaten Kandidaten Joe Biden, Pete Buttigieg, Michael Bloomberg und Amy Klobuchar würden sich gegenseitig kannibalisieren und so das Feld Bernie Sanders überlassen, klagen viele. Sanders werde taktisch dämonisiert – und so Trumps Narrativ (Sanders steht für Chaos und Sozialismus) Vorschub geleistet. Einigermaßen fest steht: Wenn das Feld der Kandidaten so breit bleibt, wird es bis Juni keiner schaffen, eine klare Mehrheit der Delegierten hinter sich zu bringen. Das zeigen Simulationen der Statistiker des Blogs „Five Thirty Eight“.

Die Welt aus der Perspektive der demokratischen Kandidaten: Should I stay or should I go?

Aus Perspektive der Kandidaten hat keiner einen echten Grund zu gehen. Unsere kleine Übersicht über die Ausgangsage der Kandidaten vor South Carolina und dem Super Tuesday macht deutlich, warum:

Bernie Sanders

Das Parteiestablishment will Sanders nicht haben, bei der Anzahl der Unterstützer unter Kongressabgeordneten und Gouverneuren nimmt er Stand Donnerstag, 27.2., nur den vierten Rang unter den Top-Kandidaten ein. Doch seine Chancen gegen Trump zu gewinnen sind laut Direktvergleich-Umfragen gut. Hier gibt es ein Beinahe-Patt mit Biden. (Stand Donnerstag liegt der Direktvergleich Sander-Trump bei 49,7 Prozent zu 45,3 Prozent, was wohl auch reichen würde, um nicht nur die „Popular Vote“ zu gewinnen, die Summe aller abgegebenen Stimmen, sondern auch um im Wahlmännergremium zu gewinnen, was entscheidend ist. Hier die Quelle) Er hat bislang die meisten Wahlmänner und das drittmeiste Geld unter den Top-Kandidaten. Fazit: Kein Grund, aufzuhören.

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Joe Biden

Wie gesagt, Bidens Chancen gegen Trump zu gewinnen sind derzeit laut Umfragen etwa so groß wie die von Sanders (Im Durchschnitt der Umfragen läge Biden bei der hypothetischen Wahl mit 49,8 Prozent vor Donald Trump mit 45,5 Prozent. Quelle hier). In der Rangfolge des Geldes belegt Biden bislang „nur“ Platz vier, das kann sich aber schnell ändern, sollte sein Wahlkampf an Schwung gewinnen. Biden ist dafür der Darling des Parteiestablishments und liegt mit 52 Endorsements (Stand Donnerstag) klar vorn. Wahlmänner konnte er zwar bislang nur sehr wenige gewinnen, er hat schlechter abgeschnitten als erwartet. Aber Bidens Team kann das mit gutem Grund als Momentaufnahme werten. Fazit: Biden ist laut Umfragen der Bestplatzierte unter den schwarzen Wählern. Daher könnte South Carolina seinem Wahlkampf neues Momentum geben – muss es aber wohl auch. Dann aber gibt es keinen Grund aufzugeben.

Pete Buttigieg

Auch Buttigieg hätte durchaus Chancen, gegen Trump zu gewinnen: Er belegt in diesem Vergleich einen 3. Platz unter den Front Runnern, aber auch nur knapp hinter Sanders, Biden und Bloomberg (Im Schnitt der Umfragen liegt er mit 47,3 Prozent vor Trump, Stand Donnerstag, Quelle hier.) Beim Geld liegt er auf Platz fünf, spielt aber nicht in einer anderen Liga als etwa Joe Biden. Das Parteiestablishment konnte sich bislang nicht für ihn erwärmen, dafür aber die Basis und schließlich tritt er ja mit der Erzählung an, er sei ein Außenseiter. Er ist überraschend gut gestartet und hält bislang den zweiten Platz bei den Wahlmännern und -frauen. Fazit: Auch Buttigieg hat keinen Grund aufzugeben. Er kann darauf hoffen, dass Journalisten weiterhin genügend sexistische Kommentare von Michael Bloomberg ausgraben, Amy Klobuchar zu schwach ist und er als Newcomer und Außenseiter am Ende attraktiver wirkt als der Langzeitpolit-Profi Biden.

Michael Bloomberg

Michael Bloomberg ist der Republikaner unter den Demokraten und zumindest seine Chancen gegen Trump zu gewinnen, scheint das zu erhöhen. Im Ranking der Wählbarkeit der demokratischen Kandidaten belegt er Platz, knapp hinter Sanders und Biden (Stand Donnerstag, im hypothetischen Direktvergleich gewinnt er im Schnitt  der Umfragen 48,3 Prozent, Trump käme auf 45 Prozent, hier die Quelle). Bloomberg hat außerdem das meiste Geld, er verfügt über 55,1 Millionen „Cash at Hand“, hat am meisten eingetrieben – und auch am meisten ausgegeben. Auch, wenn er sich spät erklärt hat, schlugen sich schon viele Funktionäre auf die Seite des Geldes, ähm, des Kandidaten. Delegierte hat Bloomberg noch keine, weil er erst am Dienstag in das Rennen einsteigt. Macht aber nichts, der Rückstand ließe sich leicht aufholen. Fazit: Für Bloomberg ist die größte Gefahr er selbst (zuletzt wurden Sexismus- und Belästigungsvorwürfe laut) – aber das sehen Männer seines Formats bekanntlich selten von allein ein. Von daher: Kein Grund aufzuhören, so lange das Geld reicht.

Elizabeth Warren

Elizabeth Warren steht vor den Wahlen in South Carolina und vor dem Super Tuesday bei allem irgendwie in der Mitte. Ihre Chancen gegen Trump zu gewinnen sind so groß wie die von Pete Buttigieg, ein gemeinsamer 3. Platz im Demokratenrennen, und damit etwas schlechter als die von Bloomberg, Biden und Sanders. Beim Geld lag sie zuletzt auf dem letzten Platz unter den aussichtsreichen Kandidaten, aber die Kampagne meldet neue Einnahmen nach dem letzten Fernsehduell. Das Parteiestablishment ist nicht begeistert von ihr, aber auch sie konnte schon einige Endorsements einsammeln. Ihr Stern schien zuletzt zu sinken, aber ihre Chance liegt wie die von Buttigieg darin, dass sie sich als Konsenskandidatin präsentieren könnte. Zuletzt hat sie versucht, ihr übermäßig progressives Image abzulegen und auf Konfrontation zu Sanders zu gehen. Noch ist es für diese Positionierung nicht zu spät. Auch für sie gilt vor dem Super Tuesday. Fazit: Es gibt keinen Grund aufzuhören.

Anna Sauerbrey

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