Streit um Flüchtlingsobergrenze in den USA: Biden will nach massiver Kritik doch mehr Geflüchtete aufnehmen
US-Präsident Bidens wollte Trumps Obergrenze von 15.000 Flüchtlingen pro Jahr zunächst beibehalten. Linke Demokraten waren entsetzt.
Nach Protesten gegen seine Ankündigung, die Aufnahme von Flüchtlingen vorerst nicht zu erhöhen, ist US-Präsident Joe Biden zurückgerudert. Bidens Ankündigung, die Obergrenze seines Vorgängers Donald Trump von 15.000 Flüchtlingen pro Jahr zunächst beizubehalten, hatte am Freitag für scharfe Kritik aus dem eigenen Lager sowie von Flüchtlingshelfern gesorgt. Das Weiße Haus erklärte daraufhin, die Zahl sei nur vorläufig.
Biden habe grünes Licht für die Ansiedlung von Flüchtlingen aus zuvor gesperrten Regionen gegeben, erklärte das Weiße Haus weiter. Bis zum 15. Mai wolle der Präsident eine „endgültige, erhöhte Flüchtlingsobergrenze für den Rest dieses Steuerjahres festlegen“.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Senats, Bob Menendez, hatte die Zahl von 15.000 Flüchtlingen „schockierend “ genannt. Angesichts der „größten weltweiten Flüchtlingskrise der Geschichte, mit 29,6 Millionen Flüchtlingen weltweit, sind Umsiedlungen ein entscheidendes Instrument beim Schutz jener, die vor Verfolgung fliehen“. In den USA sei die Aufnahme von Flüchtlingen eine „stolze, parteiübergreifende Tradition".
Auch die Flüchtlingsorganisation Lirs hatte Bidens Ankündigung scharf kritisiert. Es sei als „zutiefst enttäuschend, dass die Regierung die beschämende, rekordverdächtig niedrige Aufnahmehöchstgrenze ihres Vorgängers“ beibehalten habe, erklärte Lirs.
Zuvor hatte Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan mitgeteilt, die unter dem früheren Präsidenten Trump festgelegte Obergrenze von 15.000 Flüchtlingen bleibe in diesem Jahr bis auf Weiteres bestehen.
US-Medien warfen Biden Schlingerkurs vor
Angesichts der Kritik erklärte das Weiße Haus, es habe in der Sache „einige Verwirrung“ gegeben. Das System zur Annahme von Flüchtlingen sei vom Republikaner Trump so stark ausgehöhlt worden, dass das ursprünglich von Biden ausgegebene Ziel vorerst außer Reichweite scheine.
Mehrere US-Medien warfen Biden vor, bei dem Thema einen Schlingerkurs zu fahren. „Das ist die Kehrtwende von der vorigen Kehrtwende“, sagte eine Journalistin beim Sender CNN, der Biden normalerweise eher wohlgesonnen ist. Die „New York Times“ schrieb, das Weiße Haus habe wegen der Kritik „abrupt den Kurs geändert“.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Für das nächste US-Haushaltsjahr ab Oktober hatte Biden versprochen, die Flüchtlingsobergrenze auf 125.000 anzuheben. Dieses Ziel gilt weiterhin. Das von Trump verfügte Limit von 15.000 Menschen war das niedrigste seit Einführung des Flüchtlingsprogramms im Jahr 1980. Trump war 2017 als Präsident vereidigt worden, im Jahr vor Beginn seiner Amtszeit hatte die Grenze bei 85.000 Flüchtlingen gelegen.
Die Flüchtlinge werden meist schon in ihren Herkunftsländern oder Regionen überprüft und im Erfolgsfall per Flugzeug in die USA gebracht.
„Fremdenfeindlichen und rassistische Politik“
Bidens Verfügung vom Freitag, mit der er eine Erhöhung der Obergrenze für das laufende Jahr aufzugeben schien, wurde vor allem von linken Demokraten vehement kritisiert. „Die Beibehaltung der fremdenfeindlichen und rassistischen Politik der Trump-Regierung, inklusive der historisch niedrigen und stark gefallenen Obergrenze, ist schlicht falsch“, schrieb etwa die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez auf Twitter.
Mehr als zwei Dutzend Abgeordnete unterschrieben zudem einen offenen Brief an Biden, der ihn zum Kurswechsel aufforderte - eine unverhohlene Form des Widerstands, wie es sie seit Bidens Amtsantritt bislang selten gegeben hat. Ohne eine Änderung bleibe die Flüchtlingspolitik „inakzeptabel drakonisch und diskriminierend“, hieß es in dem Brief. „Wir müssen unsere Versprechen an die Menschen einhalten, die vor undenkbar brutalen Bedingungen in ihren Heimatländern geflohen sind, und unser Ziel erfüllen, ihnen einen sicheren Hafen zu bieten, damit sie ihr Leben neu beginnen können“, schrieben die Abgeordneten. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte Biden für seinen Kurs.
Die Regierung des neuen US-Präsidenten ringt beim Thema Migration auch mit einer anderen Herausforderung: Die Zahl der Migranten und Flüchtlinge, die aus Mexiko über die Südgrenze in die Vereinigten Staaten kommen, ist zuletzt dramatisch angestiegen. Darunter sind Tausende unbegleitete Minderjährige. (AFP, dpa)