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Die Kontrahenten auf zwei Bildschirmen: Joe Biden und Donald Trump
© AFP/Getty Images/Sarah Silbiger

TV-Duell in den USA: Biden nennt Trump einen „Idioten“ – und behauptet sich

Dass es nicht höflich zugehen würde beim TV-Duell von Trump und Biden, war schnell klar. Der Herausforderer wollte nicht nur einstecken und punktete damit.

Nein, man hat nicht erwarten müssen, dass Donald Trump sich in der ersten TV-Debatte des US-Präsidentschaftswahlkampfs an die Regeln halten würde. Aber dass der Moderator des Abends, der Fox-News-Journalist Chris Wallace, so lange darum kämpfen muss, die Diskussion unter Kontrolle zu behalten, ist dann doch erschütternd. Auf Twitter heißt es am Dienstagabend schnell, Wallace habe die Kontrolle verloren. 

Eine Weile sieht das auch tatsächlich so aus. Immer wieder fällt Präsident Trump seinem Herausforderer Joe Biden ins Wort, versucht, ihn zu provozieren oder über ihn hinweg zu reden. Biden reagiert dann auch schon mal auf seine Art und fährt seinen Gegenüber an: „Können Sie mal die Klappe halten, Mann?“

Der ehemalige Vizepräsident hat gewusst, was auf ihn zukommt, er hat sich gewappnet – und kein Interesse daran, nur höflich einzustecken. Ein harmonischer Abend, so viel ist schnell klar, wird das nicht. 

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Trump wiederum scheint auf diesen schlagfertigen Biden nicht richtig eingestellt gewesen zu sein. Und wohl auch nicht darauf, dass sein Kontrahent so ruhig bleibt. Selbst, als er dessen Sohn Hunter Biden angreift, etwas, worauf der ehemalige Vizepräsident häufig empfindlich reagiert.

Die Trump-Kampagne und der Präsident persönlich haben Biden als senilen alten Mann darstellen wollen, als jemanden, der Aufputschmittel und technische Hilfe in Anspruch nehmen müsse, um eine solche Debatte überstehen zu können. Hat der 74-jährige Trump den drei Jahre älteren Biden unterschätzt? 

Seit Jahren haben sie sich nicht getroffen. Beim 19-jährigen Gedenken an den 11. September in Shanksville/Pennsylvania wäre es neulich fast so weit gewesen. Aber da passten die Organisatoren gut auf, dass der eine (Trump) am Morgen mit den Angehörigen der abgestürzten Passagiere von Flug 93 zusammentraf, und der andere (Biden) am Nachmittag. In Kenosha/Wisconsin, wo bei schweren Unruhen nach Protesten gegen Polizeigewalt zwei Menschen gestorben waren, verpassten sie sich um einen Tag. Nun also Cleveland im Swing State Ohio. 

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Auf dem Gelände der Cleveland Clinic richtet der US-Sender Fox News die erste von drei Debatten zwischen den beiden Männern aus, die die Wahl am 3. November gewinnen wollen. Beobachter haben im Vorfeld mit einer der heftigsten Auseinandersetzungen in der Geschichte der TV-Duelle gerechnet, voller persönlicher Attacken vor allem von Seiten des Amtsinhabers. In dieser Beziehung werden sie Recht behalten. 

Aber nachdem Moderator Wallace die ersten gut 50 Minuten schwer zu kämpfen hat, Trump davon abzuhalten, Biden bei jeder Antwort zu unterbrechen, gelingt ihm dies in der zweiten Hälfte der 90 Minuten deutlich besser. Legendär dürfte er mit seinem kurzen „Nein“ auf die Frage Trumps werden, ob er „ehrlich“ sein könne.

Biden sammelt sich immer wieder

Biden hat seine eigene Taktik, mit dem präsidentiellen Zwischenrufer umzugehen, der nur eines will: ihn aus dem Konzept bringen. Immer wieder in diesen Fällen wendet er sich direkt an die zig Millionen Zuschauer - 74 Prozent der Amerikaner haben im Vorfeld erklärt, sich die Debatte im Fernsehen oder im Livestream anzuschauen. Im Sheila and Eric Samson Pavilion, aus dem gesendet wird, selbst sind nur rund 80 ausgewählte Zuschauer.

Biden beruhigt es offenbar, in die Kameras zu sprechen, er wird dann ganz ruhig, sammelt sich wieder. So durchkreuzt er Trumps Strategie, nur Chaos zu verursachen. 

Auch sonst gelingen ihm Konter. Auf Trumps Unterstellung, die Demokraten wollten „Sozialismus“ einführen, Biden sei nur eine Marionette der Linken, erklärt er: „Zurzeit bin ich die Demokratische Partei. Ich habe Bernie Sanders geschlagen.“

Gleichzeitig schafft er es, seine Punkte unterzubringen, etwa zur Gesundheitsreform Obamacare, die Trump rückgängig machen wolle, ohne Alternativpläne vorzulegen, oder zu den mehr als 200.000 Corona-Toten in den Vereinigten Staaten, für die der Präsident die Verantwortung trage. Wenn Trump die Krise nicht in den Griff bekomme, könne er auch die Wirtschaft nicht wieder in Schwung bringen.

Immer wieder wird es persönlich, etwa, wenn Trump erklärt: „Sie haben es nicht in Ihrem Blut, Sie könnten den Job nicht machen.“ Wenn er Hunter Biden angreift, der aus dem Militär geflogen sei, und auf Bidens angeblich schlechte College-Noten eingeht – „nichts an Ihnen ist schlau“. Oder ihm vorwirft, Amerika „zerstören“ zu wollen, weil er die Wirtschaft wieder runterfahren wolle.

Er macht sich lustig über Biden, der immer riesige Masken trage und nur Events mit wenigen Zuschauern veranstalte. „Keiner kommt zu seinen Events“, sagt er. Bei seinen eigenen Rallyes dagegen, die er derzeit auf Regionalflughäfen veranstaltet, tauchten 20.000 bis 30.000 Leute auf, „manchmal nur mit 24 Stunden Vorlauf“. In Wahrheit sind bei diesen Events allerdings eher nur 4000 bis 6000 Menschen.

Um die Zukunft der USA geht es kaum

Biden kontert, nennt den Präsidenten einen „fool“, einen Idioten. Über seinen Sohn Hunter sagt er offen: „Er hatte ein Drogenproblem, wie viele Menschen. Er hat es überstanden. Ich bin stolz auf ihn.“ Und an den Präsidenten und dessen Umgang mit Corona gerichtet, sagt er: „Kommen Sie raus aus Ihrem Bunker, verlassen Sie Ihren Golfplatz“ - dann würden nicht so viele Menschen sterben.

Selten geht es an diesem Abend um die Zukunftsvisionen, die die Kandidaten für ihr Land haben. Einmal spricht Biden über seinen Plan, mit grünen Technologien die Wirtschaft anzukurbeln und Jobs zu schaffen. Aber viel mehr geht es um Bilanzen und gegenseitige Vorwürfe. Auf die Frage, warum er der nächste Präsident werden sollte, sagt Biden: „Unter diesem Präsidenten sind die USA schwächer, kränker, arm und gespaltener geworden.“

Wer neue inhaltliche Erkenntnisse erwartet hat, wird an diesem Abend nicht wirklich schlauer. Aber das ist bei diesen zwei Kandidaten, die so bekannt sind wie bisher wohl noch keine zwei Präsidentschaftsbewerber, wohl ohnehin nicht zu erwarten gewesen. 

Weder lässt sich Trump nach den „New York Times“-Enthüllungen um seine kaum getätigte Einkommensteuer darauf festnageln, dass er selbst bald genaue Angaben zu seiner Steuererklärung macht – und nennt die Berichte einfach „Fake News“. Noch zeigt er sich willig, weiße Rassisten zu verurteilen (da verweist er lieber auf die Antifa, die viel gefährlicher sei). Und erneut weigert er sich zu erklären, dass er sich nicht vorzeitig zum Sieger ausrufen würde, wenn noch kein von unabhängiger Seite überprüftes Endergebnis vorliege (Biden sagt das zu).

Wallace schafft es nicht, ihn dazu zu bringen. Er muss sich mit den Ausweichmanövern zufriedengeben, genauso wie Biden - und die amerikanischen Wähler. 

Wer schaut noch die nächste Debatte?

Selbst Kommentatoren von Fox News, die als sehr Trump-freundlich gelten, erklären im Nachhinein, Biden, auf dem der größere Druck gelastet habe, habe sich gut behauptet. Sie fügen aber auch hinzu, dass diese Debatte wohl kaum die Meinung vieler Wähler verändert habe. Das wiederum könnte Biden als Erfolg für sich verbuchen: Er liegt seit Monaten in den Umfragen vorne.

Wenn es stimmt, dass die meisten Amerikaner sich bereits im Klaren darüber sind, wen sie wählen, hätte es das Hauptziel dieser Debatte sein müssen, den verbleibenden noch unsicheren Wählern Entscheidungshilfen an die Hand zu geben. Denn die könnten bei zwei fast gleich großen Blöcken den Ausschlag geben. Wie viele Zuschauer nach dieser Vorstellung allerdings bereit sind, sich zwei weitere TV-Duelle anzuschauen, wird sich zeigen. Geplant ist die nächste Debatte zumindest für den 15. Oktober.

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