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Eine Todeszelle, hier in Texas, USA.
© REUTERS/Jenevieve Robbins

Todesstrafe in Arkansas: Bevor das Gift schlecht wird

Behörden im US-Bundesstaat Arkansas haben es gerade besonders eilig mit Hinrichtungen. Der Grund: Das Haltbarkeitsdatum des verwendeten Giftes Midazolam.

Vier Minuten vor Ablauf der Genehmigung für seine Hinrichtung wurde Ledell Lee für tot erklärt. Der 51-jährige Schwarze, der vor mehr als 20 Jahren eine Frau getötet haben soll, hatte bis zuletzt seine Unschuld beteuert. Doch die Behörden im US-Bundesstaat Arkansas wollten nicht mehr länger mit seiner Exekution durch Giftspritzen warten. Lee war der erste Todeskandidat seit zwölf Jahren, der in Arkansas hingerichtet wurde – doch jetzt soll es Schlag auf Schlag gehen. Bis zum Monatsende sollen ihm mindestens drei weitere Delinquenten folgen. Die Eile hat einen makabren Grund: Das Verfallsdatum für den in Arkansas verwendeten Gift-Cocktail rückt näher.

Lees Hinrichtung in der Nacht zum Freitag hat die Debatte über die Todesstrafe in den USA neu belebt. Anwälte der anderen Todeskandidaten wollen alles daran setzen, die noch anstehenden Hinrichtungen zu verhindern. Im Zentrum des aktuellen Streits in Arkansas steht die Frage, ab welcher Schwelle eine Exekution zu einer verfassungswidrigen Quälerei für den Häftling wird. Doch für Kritiker ist das absurd anmutende Eilverfahren im amerikanischen Süden ein weiterer Beweis dafür, dass die Todesstrafe landesweit abgeschafft gehört.

Nach dem ursprünglichen Plan wollte Arkansas bis Ende April acht Häftlinge hinrichten, weil dann der Vorrat des Bundesstaates an dem Betäubungsmittel Midazolam sein Verfallsdatum erreicht. Midazolam ist eine von drei Substanzen, die bei den Exekutionen verwendet werden. Bei einem weiteren, dem Muskelentspanner Vecuronium, gibt es Streit zwischen dem Hersteller und Arkansas: Das Pharma-Unternehmen McKesson in San Francisco fühlt sich von den Behörden hereingelegt, weil diese beim Kauf des Mittels dessen geplante Anwendung bei Hinrichtungen verschwiegen hätten. Das dritte Mittel, Kaliumchlorid, das bei den Häftlingen zum Herzstillstand führen soll, ist ebenfalls umstritten.

Midazolam soll nicht stark genug wirken

Insbesondere die Verwendung von Midazolam bei Hinrichtungen wird kritisiert, weil das Mittel bei Exekutionen in anderen Bundesstaaten nicht stark genug gewesen sein soll, um die Todeskandidaten vor Schmerzen zu bewahren. Die amerikanische Verfassung gesteht jedem Bürger - auch Häftlingen - den Schutz vor „grausamen und ungewöhnlichen Strafen“ zu.

Das ist der Grund, warum die Zusammensetzung des Giftmixes so wichtig ist – und warum die US-Behörden immer größere Probleme haben, sich die richtigen Präparate zu besorgen. So verbietet die EU den Export von Hinrichtungs-Giften in die USA; Michael Roth, Staatsminister im deutschen Außenamt, nannte die Vorgänge in Arkansas „entsetzlich“.

Wie die Reaktion von McKesson zeigt, wollen auch US-Pharmafirmen nicht mit Hinrichtungen in Verbindung gebracht werden. Die „Washington Post“ berichtete, ein US-Hersteller von Kaliumchlorid und andere Unternehmen forderten ebenfalls die Rückgabe ihrer Medikamente, weil sie nicht wollten, dass ihre Produkte in den Hinrichtungskammern zum Einsatz kommen.

Es geht um drei weitere Männer

Wegen dieser Versorgungsengpässe wird es eng in amerikanischen Todeszellen, da verurteilte Straftäter nicht hingerichtet werden können. Im Fall der geplanten Serien-Hinrichtung in Arkansas mussten bereits vier der acht geplanten Exekutionen abgesagt werden. Nachdem Lee tot ist, geht es jetzt um drei weitere Männer, deren Schicksal sich in den kommenden Tagen in den Gerichtssälen in Arkansas und möglicherweise auch vor dem Verfassungsgericht in Washington entscheiden wird.

Das oberste Gericht der USA hatte im Fall Lee die Hinrichtung per Eilentscheidung erlaubt; an dem Beschluss war der neue konservative Verfassungsrichter Neil Gorsuch beteiligt, der kürzlich von Präsident Donald Trump eingesetzt worden war. Gorsuch sorgte mit seiner Stimme im Gericht für eine Mehrheit von Fünf zu Vier, die für Lee den Tod bedeutete. Gorsuchs liberaler Kollege Stephen Bryer betonte, der Streit in Arkansas werfe ein neues Schlaglicht auf die Willkür, mit der in den USA über die Hinrichtung von Menschen entschieden werde. Die Todesstrafe stelle an sich schon eine Verletzung des Rechtsstaates dar.

Bryer steht mit seiner Kritik nicht allein. Amnesty International warf den Behörden in Arkansas mit Blick auf die Probleme mit Midazolam und dem daraus resultierenden Rekordtempo bei geplanten Hinrichtungen vor, Menschen zu behandeln, „als ob sie ein Haltbarkeitsdatum hätten“. Der Bundesstaat solle das „Fließband der Hinrichtungen stoppen“, forderten die Menschenrechtler.

Kritiker hoffen, dass der Giftmangel Hinrichtungen allgemein stoppt

Gegner der Todesstrafe hoffen, dass der Mangel an geeigneten Mitteln die Hinrichtungen in den USA landesweit beenden kann, auch wenn nach einer Gallup-Umfrage nach wie vor 60 Prozent der Amerikaner dafür sind, dass verurteilte Mörder hingerichtet werden. Andere Methoden als die Giftspritze – Galgen, Gaskammern, elektrische Stühle und Erschießungskommandos – sind verfassungsrechtlich angreifbar; 19 Bundesstaaten haben die Todesstrafe ganz abgeschafft.

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