Nach der Wahl in Berlin: Bestwert für die AfD in Pankow: Eine Spurensuche
Blankenfelde liegt ganz im Norden des Großbezirks Pankow an der Grenze zu Brandenburg. Da kann Angst entstehen, zu kurz zu kommen. Hier haben so viele Leute AfD gewählt wie sonst nirgends in Berlin.
Es habe bereits Übergriffe gegeben, sagt die Frau an der Bushaltestelle. Eine Handvoll männlicher Syrer habe eine Anwohnerin belästigt. Die Diebstähle sollen auch zugenommen haben. War ja klar, dass es früher oder später so kommen würde, sagt sie. „1000 Flüchtlinge sind einfach zu viel für Blankenfelde.“
Tatsächlich sind die Flüchtlinge noch gar nicht hier. Die temporären Wohncontainer, die zwei Kilometer südöstlich vom Dorfrand und hinter weitläufigen Feldern versteckt aufgestellt werden, sind nicht einmal zur Hälfte bezugsfertig. Auch der Betreiber steht nicht fest. Nur böse Gerüchte gibt es schon.
Jeder Vierte hat im Pankower Ortsteil Blankenfelde die AfD gewählt – in einem Abschnitt erreichte die Partei sogar 37,2 Prozent, so viel wie sonst nirgends in Berlin. Auch die Frau an der Bushaltestelle gab den Rechtspopulisten ihre Stimme, obwohl sie, und das ist ihr wichtig, weder rechts sei noch Populistin. „Aber 1000 Fremde? Passen hier nicht hin.“
Blankenfelde ist ein Dorf am Nordrand Berlins. 2100 Einwohner, umgeben von Wiesen und Feldern. Kann man hier überhaupt etwas lernen über die AfD und ihren Erfolg in Berlin?
Die Hauptstraße runter, links auf den Hof einer Autowerkstatt. Die gehört Detlef Lindner, 52, er ist Vorsitzender des örtlichen Bürgervereins. Das Wahlergebnis habe ihn erschreckt, sagt er. Auch deshalb, weil die Probleme der Blankenfelder doch ziemlich überschaubar seien. „Kommen Sie mal, ich zeig es Ihnen.“ In seinem schwarzen Ford fährt er die Straßen ab, vorbei an Einfamilienhäusern, gepflegten Bürgersteigen, ausgebauten Scheunen. Die Grundstücke haben viel Rasen und manchmal Kaninchengehege. Auf seinen Transporter hat jemand mit bunter Farbe „Peace On Earth“ geschrieben. Lindner ist hier geboren, und er sagt: Die AfD-Stimmen müssen ein Trotzreflex sein. Ganz hinten am Horizont, hinter den Baumwipfeln, ragt ein Kran in die Luft. Da ist die Baustelle, wo bald die Flüchtlinge hinkommen.
Prenzlauer Berg hat nichts mit Blankenfelde zu tun
Ein Problem sei der Großbezirk Pankow. Blankenfelde liege eben weit abseits, da könne leicht Angst entstehen, zu kurz zu kommen. „Der Bezirksverordnete aus Prenzlauer Berg denkt doch, dass Blankenfelde schon zu Brandenburg gehört.“
Andererseits, sagt Detlef Lindner, sei hier viel neu gemacht worden seit der Wende. Die Infrastruktur sei ausgezeichnet. Allein die drei Kindergärten. Und Berlins kleinste Schule, die steht ebenfalls in Blankenfelde, der Bürgerverein hat lange für ihre Erhaltung gekämpft und sich durchgesetzt. „Die Straße, über die wir gerade fahren, wurde vor zehn Jahren komplett erneuert, mit Regenabwasser und allem.“ 2015 haben sie die sanierte Feuerwache eingeweiht, einen Rettungswagen gibt es jetzt auch. Diesen Herbst kommt das schnelle Internet, Breitband für alle.
Warum also der Trotz? Und warum 37,2 Prozent?
Pfarrerin Manuela Michaelis, 38, predigt seit zwei Jahren in der Blankenfelder Dorfkirche. Nach den Gottesdiensten bleibt sie oft länger und spricht mit den Anwohnern. Sie sagt: „Vielleicht waren wir nicht dicht genug an ihnen.“ Am Areal des künftigen Containerdorfs habe plötzlich ein Bauzaun gestanden, der Bezirk habe zu wenig informiert. „Ich hätte es mir anders gewünscht.“
Laut Bezirksamt liegt die Arbeitslosenquote in Pankow 2, zu dem Blankenfelde gehört, bei 7,4 Prozent, mehr als zwei Punkte unter dem Stadtdurchschnitt. Nur fünf Prozent sind Migranten. Grünen-Stadtrat Jens-Holger Kirchner sagt am Telefon, dies könne auch ein Grund für den Erfolg der AfD sein. „Die Leute sind Vielfalt noch nicht gewohnt, haben Angst vor Unbekanntem.“
Blankenfelde ist stark zersiedelt, besteht neben dem Dorfkern aus mehreren Kleingartenanlagen, die sukzessive zu Wohnanlagen umgewidmet wurden. Lauben wurden ausgebaut, Einfamilienhäuser hingesetzt.
Der höchste Punkt Berlins - Müll unter den Füßen
Es wird sich noch mehr verändern in Blankenfelde. Auf einer angrenzenden Brache soll auf 70 Hektar ein ganzes Stadtviertel entstehen. Elisabeth-Aue. Mit 3000 Wohnungen und 6000 neuen Bewohnern. Dies werde Blankenfelde natürlich beeinflussen, sagt Bürgervereins-Chef Detlef Lindner. Und wie schade es sei, dass viele nur die Risiken, nicht die Chancen sähen. Zum Beispiel neue Einkaufsmöglichkeiten. Und endlich eine Bahnanbindung. Die Sprecher mehrerer Bürgerinitiativen gegen das geplante Stadtviertel versichern, sie hätten keine AfD-Wähler in ihren Reihen.
Hinter der Kirche fährt Lindner links rein, hält bei einem Freund. Leonhard Weixelbaum, 69, sagt: „Wie naiv muss einer sein, um zu glauben, dass ein Rechtspopulist seine Probleme lösen könnte?“ Welche Probleme das genau sind, weiß auch Weixelbaum nicht. Okay, manche seien vom Kopfsteinpflaster genervt. Und manchen störe es, wenn Nachbars Apfel in seinen Garten falle. „Vielleicht wissen die Menschen hier gar nicht, wie gut sie es haben.“
Nördlich von Blankenfelde liegt das Tegeler Fließtal. Im Nordosten sind ein Hundeauslaufgebiet, der Kiessee und der Deponieberg Arkenberge. Dort wurde jahrelang Müll aufgeschüttet, auch Reste der Berliner Mauer finden sich im Boden. Die Spitze liegt 120 Meter über dem Meeresspiegel. Seit das voriges Jahr gemessen wurde, gilt die Aufschüttung als höchster Punkt Berlins. Ein Investor möchte hier eine Sommerrodelbahn bauen. „Und nein, auch diese Veränderung wird unsere Lebensqualität nicht verschlechtern“, sagt Detlef Lindner. Sein Bürgerverein lädt regelmäßig zu Informationsveranstaltungen. Da kommen dann 40 Bürger, manchmal auch 100. Sie sprechen über die Verlegung des Breitbands oder darüber, wie es um den Berg steht. Zum Thema Flüchtlinge hat Lindner noch nicht eingeladen. Er sagt, er habe keine schlafenden Hunde wecken wollen