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Menschen, die nicht sind geimpft, genesen oder getestet sind, haben es in Baden-Württemberg seit Montag schwerer.
© Marijan Murat/dpa

Corona-Regeln in Baden-Württemberg: Beschränkungen weitgehend aufgehoben – Vorbild für den Bund?

Wer von Corona genesen oder geimpft ist, genießt in Baden-Württemberg nun deutlich mehr Freiheiten. So könnte es schon bald in weiteren Ländern kommen.

In Baden-Württemberg ist am Montagmorgen eine neue Verordnung in der Corona-Pandemie mit weitreichenden Lockerungen für geimpfte und vom Virus genesene Menschen in Kraft getreten.

Wer zu einer dieser beiden Gruppen gehört, genießt unabhängig von lokalen oder regionalen Corona-Inzidenzen von Wochenbeginn an in vielen Bereichen wieder größere Freiheiten. Hingegen müssen Ungeimpfte und Nicht-Genesene wesentlich häufiger als bisher negative Antigen-Schnelltests vorweisen, die jeweils nicht älter als 24 Stunden sein dürfen. Das gilt etwa für Besuche in Museen, Hotels, Fitnessstudios, bei Ausstellungen, beim Friseur sowie in Restaurants in Innenräumen.

Ausgenommen von der Testpflicht sind unter anderem noch nicht eingeschulte Kinder. Schüler müssen nach Regierungsangaben ebenfalls keine separaten Tests vorweisen, sofern sie schon in ihren Schulen einer regelmäßigen Corona-Testung unterliegen.

Für ungeimpfte und nicht genesene Gäste von Clubs und Diskotheken ist kein Antigen-Schnelltest ausreichend, sondern hier muss im Vorfeld sogar ein negativer PCR-Test gemacht werden, der beim Eintritt maximal 48 Stunden alt sein darf und vergleichsweise teuer ist.

Bisherige Kontaktbeschränkungen und Regelungen für private Veranstaltungen und Feiern werden aufgehoben. Anderswo bleibt - auch für Geimpfte und Genesene - die Maskenpflicht erhalten. Sie gilt etwa im Nahverkehr, im Einzelhandel, in Hotels und bei den allermeisten nicht-privaten Veranstaltungen zumindest in geschlossenen Räumen.

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Nach der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) in der vergangenen Woche hatte Baden-Württemberg entschieden, die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz aus der Corona-Verordnung des Landes zu streichen. Gleichzeitig kündigte auch Niedersachsen an, neben der Inzidenz weitere Bewertungsmaßstäbe in seine Corona-Verordnung aufzunehmen, wie etwa die Auslastung der Krankenhäuser.

Den Beispielen der beiden Bundesländer wollen nun weitere folgen. In einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur kündigten zahlreiche Landesregierungen an, zur Bewertung des Infektionsgeschehens künftig weitere Kriterien heranzuziehen.

Die endgültige „Glücksformel“, von der Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gesprochen hatte, wird allerdings noch gesucht. „Klar ist, dass es neben der Inzidenz auch einen Blick in die Kontaktnachverfolgung und die Situation in den Krankenhäusern geben wird“, heißt es etwa aus dem Bremer Gesundheitsressort. Ob und welche neuen Warnstufen sich daraus ergeben, sei allerdings „noch nicht final geklärt“.

Auch Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerium arbeitet weiter an den neuen Regelungen: „Diese stehen heute ebenso wie das Datum der Veröffentlichung noch nicht fest.“

Die Zahl der Corona-Patienten in den Kliniken scheint als zusätzliches Entscheidungskriterium weitgehend unstrittig zu sein. Einige Bundesländern verfahren sogar schon länger so. Als Indikatoren für das politische Handeln setzt etwa das Land Berlin seit über einem Jahr auf drei Corona-Ampeln, die neben der aktuellen Infektionsentwicklung auch die Auslastung der Intensivbetten im Blick haben.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern fließen die Klinikeinweisungen sowie der Anteil der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen in die tägliche Risikobewertung ein.

Lauterbach hält Sieben-Tage-Inzidenz für ausreichend

Auch die Intensivmediziner-Vereinigung Divi ist dafür. Mit Blick auf die Aufnahmezahlen von Krankenhäusern und Intensivstationen sowie die Auslastung der vorhandenen Intensivbetten sagte Präsident Gernot Marx der Düsseldorfer „Rheinischen Post“: „Auf den Intensivstationen werden diese Parameter schon jetzt in die täglichen Planungen vor Ort ein bezogen.“

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält hingegen die Sieben-Tage-Inzidenz für ausreichend. Sie habe sich bewährt. „Wir benötigen keine weiteren Parameter zur Einschätzung des Infektionsgeschehens“, sagte er derselben Zeitung. „Der Beschluss der MPK, ab einem Wert von 35 eine Testpflicht für Ungeimpfte einzuführen, ist einfach und richtig.“

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte sich Anfang des Monats schon dafür stark gemacht, weitere Kriterien heranzuziehen. Sein bayerischer Amtskollege Söder gilt zwar als Fan des Inzidenzwerts, hält aber eine Einbeziehung der Klinikbelegung ebenfalls für sinnvoll. Zudem möchte der CSU-Chef die Schwellenwerte erhöhen, weil er angesichts des Impffortschritts bei einer Inzidenz von 50 keine Gefährdungslage mehr sieht.

Schleswig-Holstein befürwortet ebenfalls zusätzliche Indikatoren und will dies spätestens bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz bundeseinheitlich regeln. Dabei solle unter anderem auch die Impfquote Berücksichtigung finden, heißt es aus Kiel. Auch die Regierung von Rheinland-Pfalz strebt „ein gemeinsames System aus verschiedenen Indikatoren“ an, ohne jedoch ins Detail zu gehen. Die Suche nach der „Glücksformel“ dauert also länderübergreifend an.

Das Bundesgesundheitsministerium erklärte, zur Beurteilung der Lage sei die Sieben-Tage-Inzidenz „ein wichtiger, aber nicht der alleinige Faktor“. Es gebe nach wie vor weitere Indikatoren wie die Impfquote, die Zahl der schweren Krankenhausfälle, freie Intensivkapazitäten oder den R-Wert. Dieser gibt an, wie viele andere ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt.

„Dass einige Länder jetzt diese Komplexität in den Landesregeln abbilden wollen, begrüßen wir ausdrücklich“, sagte ein Ministeriumssprecher am Freitag. Er verwies zugleich darauf, dass laut dem jüngsten Bund-Länder-Beschluss zunächst einmal die 3G-Regel für einen Inzidenzwert ab 35 gelte - also Zutritt zu bestimmten Innenräumen nur für Geimpfte, Genesene oder negativ Getestete. (dpa, Tsp)

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