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Sein letztes Gefecht? Berlusconi verliert sein Senatsmandat – auch wenn er erklärte, nach dem Urteil vor vier Monaten den Prozess neu aufrollen zu wollen.
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Update

Italien: Berlusconi verliert Parlamentsmandat

Der Senat in Rom hat über die Zukunft Berlusconis entschieden. Der Ex-Ministerpräsident muss seinen Sitz in der Kammer räumen. Damit verliert er sein wichtigstes öffentliches Amt.

Er hat bis zur letzten Minute mit allen Tricks versucht, sein Ende zu verhindern und hinauszuzögern. Genützt hat es ihm nichts: Am Mittwochabend um 17.42 Uhr hat Silvio Berlusconi (77) nach fast 20 Jahren sein Parlamentsmandat verloren. Im Senat stimmten mehr als 190 Abgeordnete gegen ihn – sowohl jene der Opposition als auch die Sozialdemokraten der großen Koalition, an der Berlusconi bis zu seinem Ausstieg am Vorabend noch beteiligt war. Nur 114 Senatoren hielten ihrem Parteichef und Idol die Treue. Zu ihnen gehörten auch die Rebellen um Vizepremier Angelino Alfano, die sich kürzlich von Berlusconis „Forza Italia“ abgespalten hatten.

Zwar halten auch sie die letztinstanzliche Verurteilung Berlusconis zu vier Jahren Haft wegen Steuerbetrugs für „bodenlos ungerecht“ und seinen daraus folgenden Ausschluss aus dem Parlament für verfassungswidrig; was sie allerdings nicht in diesen italienischen Krisenzeiten nicht mittragen wollten, war der Sturz der Regierung, den Berlusconi angekündigt hatte. Merkwürdig war nur: Als Berlusconis Parlamentsverbot nach der neunten Einzelabstimmung tatsächlich beschlossen war, regte sich keine Hand zum Applaus.

Berlusconi mobilisierte Anhänger

Zeitgleich mit der Abstimmung im Senat hielt Berlusconi seine private Konkurrenz- und Parallel-Veranstaltung ab: Er hatte seine glühendsten Anhänger zu einer Protestkundgebung gegen den „Staatsstreich“ und gegen den „politischen Mord“ an ihm zusammengerufen; Mehrere tausend kamen bei eisigen Temperaturen aus allen Landesteilen vor seinen römischen Wohnpalast. In einer gut halbstündigen Rede hetzte Berlusconi in gewohnter Manier gegen die „von den Roten Brigaden inspirierte, linke Justiz“ und gegen die Linken in der Politik.

Dieser Mittwoch mit der Aberkennung seines Parlamentsmandats sei „ein bitterer Tag und ein Tag der Trauer für die Demokratie“, sagte Berlusconi. Seine Verurteilung – ohne Beweise – „schreit nach Rache vor Gott und den Menschen“. Aufgeben aber will Berlusconi nicht. Der Menge, die ihm mit Fahnenschwenken und „Silvio-Silvio!“-Rufen huldigte, versprach er: „Wir werden unsere Wähler nicht verraten. Wir werden uns nicht ins Kloster zurückziehen. Wir stehen hier, wir bleiben hier.“ Und dann „verabredete“ er sich mit seinen Fans „für die nächsten Wahlkämpfe“. Auch wenn er vorerst nicht mehr für ein politisches Amt kandidieren darf.

Streit mit Napolitano

Am Wochenende hatte sich Berlusconi noch mit Staatspräsident Giorgio Napolitano angelegt: Dieser, forderte er ultimativ, habe die Pflicht, ihn zu begnadigen. Berlusconi selbst wollte keine Gnade beantragen – sie wäre angesichts seiner anderen laufenden Prozesse, vor allem dem „Bunga-Bunga“-Verfahren, aussichtslos gewesen; auch hätte sie nach italienischem Reglement die reuige Einsicht des Verurteilten in die Strafbarkeit seiner Taten vorausgesetzt. Dazu war Berlusconi nicht bereit. Und Napolitano antwortete eiskalt: Berlusconi möge seinen Ton mäßigen und sich an Recht und Gesetz halten.

Nachdem er  beim Staatspräsidenten abgeblitzt war, ging Berlusconi am Montag ins Fernsehen, um eine Verschiebung des Votums zu verlangen: Er werde vor Gericht beantragen, den nach gut zwölfjähriger Dauer abgeschlossenen Prozess neu aufrollen zu lassen.  Den Senatoren, die für seinen Ausschluss stimmen wollen, sagte Berlusconi, sie sollten sich selbst und die Bürger Italiens nicht diesen „unkontrollierten und unkontrollierbaren“ Richtern ausliefern.

Ex-Ministerpräsident verliert parlamentarische Immunität

Unterdessen hat das Parlament, justament Berlusconis Senats-Kammer auch noch, gezeigt, dass es auch ohne ihn geht: Der Haushaltsentwurf, den die Regierung vorgelegt hat, ging in der Nacht zum Mittwoch mit 171 zu 135 Stimmen durch. Gegen die Stimmen der „Forza Italia“. Und nicht nur das: Das vom Sozialdemokraten Enrico Letta geführte Kabinett hatte die Abstimmung auch noch mit dem Vertrauensvotum verbunden. Das heißt: die von Berlusconis Partei abgespaltene „Neue Rechte Mitte“ bleibt ihrem Versprechen treu und hält die Regierung am Leben.

Für den neuen Ex-Senator indes sieht die Lage alles andere als rosig aus: Mit dem Ende seines Abgeordnetenmandats verliert Berlusconi auch seine parlamentarische Immunität. „So wie ich die Staatsanwaltschaften kenne“, sagt er, „liefern die sich bestimmt schon ein Wettrennen darum, wer mich als erste verhaften darf.“

Paul Kreiner

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