zum Hauptinhalt
Martin Delius hat mit seinem NSDAP-Vergleich viel Aufmerksamkeit provoziert.
© Mike Wolff, TSP

Landesverband Berlin: Berliner Pirat stürzt über Nazi-Vergleich

Nach der heftigen Kritik zieht Fraktionsgeschäftsführer Martin Delius seine Kandidatur für den Bundesvorstand zurück. Derweil gerät auch die 26-jährige Julia Schramm aus dem Berliner Landesverband in Erklärungszwang.

Die Piratenpartei kommt im Ringen um den richtigen Umgang mit rechtsradikalen Äußerungen und Tendenzen nicht zur Ruhe. Der Bundesvorsitzende, Sebastian Nerz, sah sich am Sonntag genötigt, zu Äußerungen des parlamentarischen Geschäftsführers im Berliner Abgeordnetenhaus, Martin Delius, auf Distanz zu gehen. Der hatte die Piraten mit der Nationalsozialistischen Partei verglichen: Der Aufstieg der Piratenpartei verlaufe „so rasant wie der der NSDAP zwischen 1928 und 1933“, hatte Delius gesagt. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel entgegnete Nerz, „jeder sollte sich genau überlegen, was er sagt und welche historischen Analogien er aufstellt und welche Wirkung das haben kann“. „Die NSDAP als Vergleich heranzuziehen, ist natürlich völliger Unsinn.“ Delius zog am Sonntag Konsequenzen: Der 27-Jährige sagte dem Tagesspiegel, „wegen dieser Äußerung und der unbeabsichtigt erzielten öffentlichen Wirkung“ ziehe er seine Kandidatur für den Bundesvorstand der Piraten zurück: „So wie ich unter dem Eindruck dieser Äußerung künftig wahrgenommen würde, könnte ich im Vorstand nicht mehr bewegen, was ich bewegen möchte.“
Unter Erklärungszwang geriet auch die 26-jährige Julia Schramm aus dem Berliner Landesverband. Die Politikwissenschaftlerin, die auf dem Parteitag am kommenden Wochenende in Neumünster für den Bundesvorsitz kandidieren möchte, hatte im Januar 2011 in einem Blog-Eintrag geschrieben: „Der Holocaust wird auch wirtschaftlich ausgeschlachtet, und Schuld gibt es nicht in meinen Augen.“ Darüber entspann sich am Sonntag im Kurznachrichtendienst Twitter eine heftige Debatte. Gegenüber dem Tagesspiegel erklärte Schramm, sie habe den Begriff der „Holocaust-Industrie“ im Rahmen der damaligen Diskussion anders als üblich gegen Leugner verwenden und jüngst auch gegen ihren Parteifreund Bodo Thiesen wenden wollen, der den Holocaust in Zweifel gezogen haben soll. Der Holocaust sei „nicht leugnungsfähig“, betonte Schramm am Sonntag und erläuterte, sie lehne den „Schuld-Begriff philosophisch ab“ und spreche lieber von der „historischen Verantwortung der Enkel- für die schrecklichen Verbrechen der Großelterngeneration“.

Die Linkspartei hält es für möglich, dass die Piratenpartei sich bewusst nicht klar nach rechts abgrenzt. Die stellvertretende Vorsitzende Katja Kipping sagte dem Tagesspiegel: „Die Piraten müssen jetzt Farbe bekennen.“ Orange oder Braun sei ein großer Unterschied. „Wenn die Piraten hier keine klare Linie ziehen, dann müssen sie sich die Frage gefallen lassen, ob sie bewusst am rechten Rand Stimmen fangen wollen.“

In einer früheren Version des Textes hatte es geheißen, Delius sei 37 Jahre alt. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten um Entschuldigung.

Zur Startseite