Martenstein über das Versagen des Systems: Berliner Kinder sollten Asyl beantragen
Dass ein Sozialstaat durch Missmanagement zusammenbrechen kann, sieht man in Berlin. Selbst einfachste Leistungen muss man sich hier erkämpfen. Besonders betroffen: die Jüngsten. Ein Kommentar.
Pessimisten sind der Ansicht, dass unser Sozialstaat über kurz oder lang zusammenbrechen wird, aus Überforderung, ähnlich wie das Römische Reich. Dass ein Sozialstaat auch infolge von Missmanagement zusammenbrechen kann, sieht man in Berlin. In Berlin müssen Eltern von Neugeborenen bis zu vier Monate auf das Elterngeld warten. Auch Geburtsurkunden kriegt man nicht mehr ohne Weiteres. Ohne Geburtsurkunde aber zahlt die Krankenkasse nach ein paar Wochen nicht mehr für das Baby. Wenn dann auch noch das Elterngeld fehlt, wird am familiären Abendbrottisch Wassersuppe „Berliner Art“ serviert.
Als die neue Koalition antrat, wurde in dieser Kolumne satirisch prophezeit, dass sich Berlin Schritt für Schritt in ein zweites Kuba verwandeln würde. Diese Voraussage war leider zu optimistisch. Verglichen mit Berlin funktioniert Kuba doch ganz ordentlich. Berlin verwandelt sich eher in Venezuela. Auch in Venezuela werden übrigens die Ergebnisse von Volksabstimmungen ignoriert, Ähnliches hat die Berliner Stadtregierung für die Abstimmung zur Offenhaltung des Tegeler Flughafens angekündigt.
Familien scheinen in Berlin eine diskriminierte Gruppe zu sein, jedenfalls in einigen Bezirken. Das Geld, das ihnen zusteht, fließt immer zäher, die Schulmisere ist chronisch, Kita- Plätze werden verzweifelt gesucht, viele Spielplätze verwahrlosen. Selbst einfachste staatliche Leistungen – die Geburtsurkunde! – muss man sich erst erkämpfen. Sogar Raucher werden besser behandelt als Babys, immerhin zahlt die Krankenkasse.
Meiner Ansicht nach erfüllen Berliner Kinder inzwischen alle Voraussetzungen, um einen Asylantrag stellen zu dürfen, jedenfalls nach deutschem Recht. Ich habe mir die Kriterien des Bundesamts für Migration angeschaut. Man muss wegen „der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“ ernste Nachteile zu befürchten haben, das trifft eindeutig zu. Man muss Opfer von „Rechtsgutverletzungen“ sein und „aus der Gemeinschaft ausgegrenzt“ werden. Ein Kita-Platz ist angeblich ein Rechtsgut, und ein Mensch, der keine Geburtsurkunde kriegt, ist so total ausgegrenzt, wie es ausgegrenzter gar nicht geht. Als Aufnahmeländer würde ich Italien oder auch Baden-Württemberg empfehlen.
Ein Recht zum bewaffneten Widerstand besteht für Kinder allerdings nicht. Zwar heißt es in der Verfassung ausdrücklich, dass es ein solches Recht gebe, wenn jemand versucht „die staatliche Ordnung zu beseitigen“ – dass sich in Berlin die staatliche Ordnung in Auflösung befindet, spürt jeder, der sich mal ein paar Schulgebäude anschaut. Das Recht auf Widerstand gilt aber nur dann, wenn es keine legalen Möglichkeiten des Protestes mehr gibt, zum Beispiel kleine satirische Kolumnen.
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