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Jetzt gibt es nur noch drei Zahlerländer.
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Update

Länderfinanzausgleich: Berlin nimmt so viel wie nie

Es gibt einige neue Rekorde im Länderfinanzausgleich. Die Hauptstadt bleibt Hauptnehmerin. Bayern zahlt so viel wie nie. Und Hamburg fällt aus der Riege der Zahlerländer heraus. Jetzt sind es nur noch drei.

Da waren es noch drei: In den Länderfinanzausgleich fließen fließen jetzt nur noch Mittel aus den Etats von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Hamburg, das abgesehen von einer kleinen Schwächephase vor 20 Jahren stets zuverlässig als Zahlerland firmierte, ist nun auch ins Nehmerlager gerutscht. Und während die am Donnerstag vom Bundesfinanzministerium veröffentlichten Zahlen für 2012 zeigen, dass Bayern und Baden-Württemberg so viel abgegeben haben wie noch nie, ist auch der Zufluss aus dem Länderfinanzausgleich nach Berlin auf einen neuen Rekordwert gestiegen.

Die Hauptstadt hat aus dem direkten Steuerausgleich zwischen den Ländern im Vorjahr 3,32 Milliarden Euro erhalten – knapp 200 Millionen mehr als im Rekordjahr 2008. Damit gehen 42 Prozent des gesamten Ausgleichsvolumens nach Berlin. Aus Bayern flossen dagegen 3,9 Milliarden Euro ab – ein neuer Höchstwert, ebenso wie für Baden-Württemberg, das 2012 mit einem Beitrag von knapp 2,7 Milliarden Euro zu Buche steht. Das Geld für Berlin erwirtschaften so in nicht geringem Umfang die bei manchen ungeliebten Schwaben. Offenkundig ist die Konjunkturdelle im Südwesten mittlerweile ausgebügelt – in den Vorjahren zahlte Baden-Württemberg erheblich weniger ein. Das gilt in diesem Jahr für Hessen: Dessen Zahlungen in den Ausgleich gingen deutlich zurück, von 1,8 auf 1,3 Milliarden. Das ist die niedrigste Transfersumme aus dem Land seit 1995. Es waren auch schon mal 2,9 Milliarden – das war im Vorkrisenjahr 2007.

Mit den neuen Zahlen bestätigt sich der Trend, dass immer weniger Zahlerländern immer mehr Nehmern gegenüberstehen. Vor zehn Jahren waren noch fünf Länder auf der Zahlerseite, seither ist das einst starke Nordrhein-Westfalen ins Nehmerlager gerückt und nun auch Hamburg. 21 Millionen Euro, also eine eher bescheidene Summe, fließen nun in die eigentlich reiche Hansestadt. Nordrhein-Westfalen, das vor zehn Jahren noch fast so viel einzahlte wie Baden-Württemberg, gehört schon seit 2010 zu den Nehmern. Im Vorjahr flossen 402 Millionen Euro in das einst stärkste Bundesland. 1989, im letzten Jahr der alten Bundesrepublik, als das Verteilungsvolumen noch weit geringer war (1,8 Milliarden Euro), standen fünf Zahler fünf Nehmern gegenüber – Berlin war damals außen vor.

Bayern und Hessen wollen gegen das geltende Ausgleichssystem klagen. Auch Baden-Württemberg ist unzufrieden – will aber erst einmal mit allen Ländern verhandeln. Doch sagt Finanzminister Nils Schmid (SPD): „Die anhaltend hohen Zahlungen Baden-Württembergs und der immer kleiner werdende Kreis der Geberländer machen den dringenden Reformbedarf beim Länderfinanzausgleich erneut offensichtlich.“ Für mehr Sachlichkeit und ein Festhalten am bisherigen Prinzip direkter Ausgleichszahlungen zwischen den Ländern plädiert der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD). Das System habe sich bewährt. Es verwische auch die Rangfolge nicht – Bayern und Hessen könnten pro Kopf immer noch mehr ausgeben als das Nehmerland Rheinland-Pfalz. Zudem begradige der Ausgleich auch Verzerrungen bei den Einnahmen: So falle die Kapitalertragsteuer am Sitz der Finanzinstitute an. Würde sie nach dem Wohnortprinzip zerlegt, müsste Hessen weitaus weniger zuschießen.

Der Länderfinanzausgleich bietet wenig Anreize für Veränderung

Der Länderfinanzausgleich ist nur eine der Ausgleichsstufen im umfangreichen Gesamtfinanzsystem von Bund und Ländern. Er ist eine Art Spitzenausgleich der Steuereinnahmen und ein Indikator, wie gut oder schlecht im Vergleich ein Land wirtschaftlich dasteht. Über die Haushaltsdisziplin der Landesregierungen und Landtage sagt der Länderfinanzausgleich dagegen wenig aus - er zeigt allenfalls indirekt, dass ein Land möglicherweise nicht genug dafür tut (oder tun kann), dass die Wirtschaft besser läuft. Denn die Ausgabenpolitik der einzelnen Länder und ihre unterschiedlichen Belastungen etwa bei Sozialleistungen oder Schuldendienst spielt bei der Berechnung keine Rolle.

Die Kritik am Länderfinanzausgleich gründet vor allem in dem ökonomischen Argument, dass er zu wenig Anreize für Veränderungen bietet: Nehmerländer haben von Steuermehreinnahmen wenig, weil ihnen dabei Leistungen aus dem Aisgleich verloren gehen; Geberländer müssen Zusatzeinnahmen zum Teil abgeben. Den Klage-Ländern missfällt auch die Besserstellung der Stadtstaaten. Deren Einwohnerzahl wird - da sie, verkürzt gesagt, Länder- und Kommunalaufgaben in einem erledigen - für die Berechnung des Ausgleichs mit 135 Prozent angesetzt. Berlin bekommt damit überproportional viel, Hamburg zahlte bislang weniger.

Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) fordert daher, diese "Einwohnerveredelung“ abzuschaffen oder zu reduzieren. Die Anrechnung der Finanzkraft der Kommunen im jetzigen Finanzausgleich sei außerdem zu hoch. Die Länder hätten keinen Zugriff auf deren Einnahmen, müssten aber anteilige Mittel abführen. Andererseits aber fürchtet Schäfers Kollege Schmid in Stuttgart, dass eine Klage in Karlsruhe gerade in diesem Punkt nach hinten losgehen könne: Das Verfassungsgericht könne sich auch der Forderung schwächerer Länder anschließen und die Anrechnung der kompletten Finanzkraft der Kommunen fordern. Dadurch würden künftig vor allem die Ost-Länder profitieren, die nach dem Auslaufen des Solidarpakts mit weitaus geringeren Transfersummen rechnen müssen.

Zudem lautet ein Vorwurf, dass er - obwohl gesetzlich verankert - von den Regierungen der (wirtschaftlich erfolgreichen) Zahlerländer für Stimmungsmache im Wahlkampf genutzt wird. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) kommentierte die neuen Zahlen am Donnerstag mit dem Satz: "Es ist die Pflicht eines jeden Demokraten in Bayern, sich gegen dieses himmelschreiende Unrecht zu wehren.“ In Nehmerkreisen wird die bayerisch-hessische Klage als "reine Show" bezeichnet, weil die Erfolgsaussichten nur gering seien. "Die Klageschriften seien äußerst dünn", sagt etwa Carsten Kühl. Wegen der geringen Anreizwirkung lautet eine Forderung, den Gebern mehr Selbstbehalt zu gewähren. Stärkere Regionen sollen mehr Geld ausgeben können, schwächere einen Anlass haben, sich unabhängig von den Leistungen aus dem Finanzausgleich um mehr Einnahen zu kümmern. Das würde allerdings bedeuten, dass Einnahmen und Ausgaben der Länder weniger stark durch Bundesgesetze vorgegeben werden.

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